Nicht alle, aber viele Bodybuilder dopen sich. Jetzt ist ein Händler von Dopingmitteln verurteilt worden. Foto: dpa

Das Landgericht Stuttgart hat einen Großhändler von verbotenen Dopingmitteln verurteilt. Der 55-Jährige bleibt auf freiem Fuß. Doch was ist mit seinem Lieferanten?

Stuttgart - Der Angeklagte ist ein Mann wie ein Baum. Trotzdem schießen ihm kurz die Tränen in die Augen, als Benjamin Bäßler, Vorsitzender Richter der 5. Strafkammer, das Urteil verkündet: zwei Jahre Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. „Es war sehr, sehr knapp“, so Bäßler.

Die Fahnder der Kriminalpolizei bekamen große Augen, als sie Ende September 2013 den Lagerraum in Plüderhausen im Rems-Murr-Kreis durchsuchten. Sie stießen auf knapp 16 000 Ampullen und fast 130 000 Tabletten und auf allerlei andere Mittel, die zum Muskelaufbau gedacht sind. Zusätzlich fanden sie Präparate, die die Nebenwirkungen der Dopingmittel bekämpfen sollen. In der Wohnung des Angeklagten im Remstal stießen die Ermittler auf eine weitere kleine Menge an Dopingmitteln und auf rund 81 000 Euro.

Die Polizei hatte den Bodybuilder, der bereits erfolgreich an mehreren Wettkämpfen teilgenommen hat, seit Mai 2013 im Visier. Mittels der Telefonüberwachung konnte sie das Geschäft des 55-Jährigen fast schon minutiös überwachen. Zwischen Mai und September 2013 waren bei dem Mann, der als Außendienstler arbeitet, 185 Bestellungen von gut zwei Dutzend Kunden eingegangen. Immer ging es um Anabolika zum Aufbau von Muskelmasse und um Mittel zur Linderung der Nebenwirkungen. Wenn ein Kunde beispielsweise einen „Ständer“ oder „Ständermacher“ bestellte, ging es in Wahrheit um Viagra, mit dem Doping-Nebenwirkungen bekämpft werden.

Lieferant soll ein Ex-Polizist gewesen sein

Seit ungefähr 2006 hatte der Mann selbst verschreibungspflichtige oder verbotene Dopingmittel konsumiert. Ab 2011 soll er das Geschäft intensiviert haben. Und 2013 explodierte es förmlich. „Das war ein Geschäft ungewöhnlich großen Ausmaßes“, so Richter Bäßler. Die Mittel stammten vornehmlich aus Untergrundlaboren. Der Lieferant soll laut dem Angeklagten ein mysteriöser Österreicher namens Paul R. gewesen sein. Paul R. sei nicht zu ermitteln gewesen, sagt die Doping-Schwerpunktstaatsanwaltschaft Freiburg. Das wundert nicht nur Anwalt Achim Bächle, der den Angeklagten verteidigt. Denn ein Österreicher mit Namen Paul R. war bereits 2010 als Großlieferant von Dopingmitteln aufgeflogen. Er soll mit einem Komplizen die Firma International Pharmaceuticals aufgebaut haben, das in Dopingkreisen als Premiummarke galt.

Staatsanwalt fordert Gefängnisstrafe

Die illegale Firma unterhielt eine Lagerhalle in Nidda-Wallernhausen in der hessischen Provinz. Bei einer Razzia am 29. September 2010 beschlagnahmte die Polizei illegale Arzneimittel im Wert von rund zehn Millionen Euro. 19 Paletten waren nötig, um die fünf Millionen Pillen, Kapseln und Ampullen abzutransportieren, schrieb der „Spiegel“ im Februar 2011. In diesem Zusammenhang war man auf Paul R., einen österreichischen Ex-Polizisten, gestoßen.

Der Angeklagte hatte vor der 5. Strafkammer gleich ein Geständnis abgelegt. Und er hatte bisher unbekannte Namen von Kunden genannt. Trotzdem wollte Staatsanwalt Stefan Fuchs den Mann hinter Gittern sehen. Er fordert drei Jahre und zwei Monate Gefängnis. Verteidiger Achim Bächle plädierte dagegen auf eine Bewährungsstrafe. Sein Mandant sei nicht vorbestraft, habe Aufklärungshilfe geleistet und sei sozial fest verwurzelt. So sieht es dann auch die Strafkammer. Der Angeklagte muss als Auflage 15 000 Euro an gemeinnützige Einrichtungen bezahlen. Und die sichergestellten 81 000 Euro bekommt er auch nicht zurück.