Der Taschendieb wartet nur auf seine Chance. Jetzt muss sich ein Mann vor dem Landgericht Stuttgart verantworten. Foto: Patricia Sigerist

Nur weil seine verurteilte Komplizin ausgepackt hat, kommt ein professioneller Taschendieb hinter Gitter. Seine Opfer waren meist betagte Menschen.

Stuttgart - Eine ältere Dame steht in der Obst- und Gemüseabteilung eines Discounters in Zuffenhausen und will Tomaten wiegen. Eine Frau drängt sich zwischen sie und den Einkaufswagen, in dem die offene Tasche liegt. Der Kundin ist die Sicht versperrt, ein Mann greift in die Tasche und zieht die Geldbörse heraus. Das Ganze dauert wenige Sekunden. Erst an der Kasse bemerkt die Seniorin, dass ihr Geldbeutel fehlt.

Währenddessen sitzt das Diebespärchen aus Rumänien im Mietwagen, nimmt das Bargeld sowie die Bankkarte aus der Börse – und findet zudem einen Zettel, auf dem die Geheimnummer steht. Ab geht’s zur nächstgelegenen Bank, wo das Konto der älteren Dame um 1000 Euro erleichtert wird.

Die Dunkelziffer ist hoch

So lief die Masche des Pärchens zwischen September 2015 und Februar 2017 in Stuttgart und der größeren Umgebung bis nach Metzingen und Waldshut-Tiengen. 23 solcher Diebestouren inklusive Geldabhebungen, wobei die Täter manches Opferkonto mehrmals geplündert haben, listet Oberstaatsanwalt Apostolos Milionis auf. Mehr als 3000 Euro in bar und knapp 29 000 Euro von den Konten haben der Mann und die Frau im Tatzeitraum erbeutet.

„Uns fehlen aber viele Anzeigenerstatter“, sagt ein Kriminalhauptkommissar aus Filderstadt vor der 5. Strafkammer des Landgerichts. Die Dunkelziffer sei hoch, denn: „Wir können nur die Diebstähle, nach denen auch Kontoabhebungen gemacht wurden, nachvollziehen.“ Etliche der Opfer zwischen 70 und 90 Jahren würden glauben, sie hätten ihren Geldbeutel einfach verloren. Wenn kein Geld abgehoben wurde, komme auch kein Verdacht auf.

Mehr als 55 solcher Fälle hat die Kripo zusammengetragen. Nicht alle können dem Diebespärchen nachgewiesen werden. Tatsache ist aber, dass das Paar in besagtem Zeitraum rund 65 000 Euro nach Rumänien überwiesen hat. „Das ganze Geld stammt aus Diebstählen“, sagt der 44-jährige Angeklagte, der von Verteidiger Hanno Haupt vertreten wird.

Nach der Festnahme wird es kurios

Am 11. Februar 2017 war Schluss. Die Kripo hatte das Paar observiert und nahm es in Filderstadt bei einem Diebstahlsversuch in einem Supermarkt fest.

Jetzt wird es kurios. Dem 44-Jährigen konnte nur ein Diebstahl nachgewiesen werden. Er wanderte für drei Monate ins Gefängnis und verschwand dann nach Rumänien. Seine ebenfalls 44-jährige Komplizin wurde dagegen wegen Diebstahls und Computerbetrugs zu vier Jahren verurteilt. Denn sie war es, die das Geld an den Bankautomaten abgehoben hat und dabei gefilmt wurde. So kam sie zu dem Spitznamen Mützenfrau – wegen ihrer Maskierung. Trotzdem gelang es der Polizei, sie zu identifizieren.

Nach ihrem Prozess vor dem Landgericht Stuttgart platzte der Frau der Kragen. Sie vier Jahre, er drei Monate – obwohl der Mann der Chef gewesen sein und das meiste Geld eingesackt haben soll. Sie packte aus, er wurde am 6. Juni dieses Jahres in Rumänien festgenommen und ausgeliefert.

Das Paar ist einschlägig vorbestraft und saß in der Schweiz wegen vergleichbaren Straftaten im Gefängnis. Der Prozess gegen den Mann wird fortgesetzt.