Rund ein Kilogramm Kokain bester Qualität hatte der Angeklagte im Kofferraum. Foto: dpa

Ein 38-Jähriger steht vor dem Landgericht, weil die Polizei bei ihm nach einem Unfall ein Kilo Rauschgift im Kofferraum gefunden hatte. Der Fall ist ziemlich skurril.

Stuttgart - Es sah eigentlich aus wie ein normaler Auffahrunfall. Eigentlich. Denn der Mann, der mit seinem Mercedes im Stuttgarter Norden an einer roten Ampel auf einen BMW gerauscht war, verhielt sich seltsam. An dem BMW waren rund 6000 Euro Schaden entstanden, der Verursacher bestand jedoch darauf, es sei nichts weiter passiert. Dann geriet die Situation völlig außer Kontrolle. Jetzt steht der 38-Jährige vor der 19. Strafkammer des Landgerichts und muss mit einer ziemlich hohen Freiheitsstrafe rechnen.

Damals, am 23. Mai dieses Jahres gegen 17.45 Uhr, wollte der Mann das abgefallene Kennzeichen seines Mercedes aufheben und weiterfahren. Der BMW-Fahrer bestand darauf, die Polizei hinzuzuziehen. Der 38-Jährige setzte sich in seinen Wagen, rollte langsam auf den BMW-Fahrer zu und drohte ihm mit den Fäusten. Einen Passanten, der dem BMW-Mann helfen wollte, konfrontierte der 38-Jährige mit seinem American Staffordshire-Terrier, der in einer Hundebox im Kofferraum des Mercedes saß. Der Mann ließ den Kampfhund heraus. Das Tier schleckte den Passanten jedoch nur ab.

Die Beamten setzen den Fußfeger ein

Inzwischen war die Polizei eingetroffen, der 38-jährige, in Kirchheim/Teck geborene Portugiese zeigte sich aggressiv. Er ging auf die Beamten los, schrie mitten auf der Straße zwischen fahrenden Autos herum, verspritzte Wasser aus einer Plastikflasche und ließ sich erst fixieren, als die Beamten ihn mit einem sogenannten Fußfeger zu Boden gebracht hatten. Zwei Polizisten, darunter ein Hospitant der Schweizer Polizei, wurden dabei leicht verletzt.

Als die Einsatzkräfte den Mercedes in Augenschein nahmen, machten sie große Augen. Im Kofferraum fanden sie in einer Reisetasche rund ein Kilogramm Kokain, 700 Gramm MDMA, auch Ecstasy genannt, Streckmittel und eine Feinwaage. Griffbereit vom Fahrersitz aus lagen ein Brot- und ein Jagdmesser. Die Untersuchung des festgenommenen Mannes ergab, dass er mit Kokain zugedröhnt war. Eine Fahrerlaubnis hatte er seit 2013 auch nicht mehr.

All das summiert sich laut Oberstaatsanwältin Heike Stengel zu einem bunten Strauß von Tatvergehen: bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, Straßenverkehrsgefährdung, Fahren ohne Fahrerlaubnis, Nötigung, tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und vorsätzliche Körperverletzung. Vor allem die zwei Messer, die im Auto gefunden wurden, fallen schwer ins Gewicht. Für bewaffneten Drogenhandel gilt nach dem Strafgesetzbuch eine Mindeststrafe von fünf Jahren.

Zugedröhnt am Telefon

Vor Gericht präsentiert sich der Mandant von Verteidigerin Michaela Spandau von seiner besten Seite. Der Portugiese sieht gepflegt aus, zeigt sich beeindruckend eloquent, ist höflich und auskunftsbereit. So stellt man sich einen Rauschgiftsüchtigen gemeinhin nicht vor.

Schon mit zwölf Jahren habe er zu kiffen begonnen, so der Textilkaufmann. Später seien Kokain und Ecstacy dazugekommen. Seine Karriere, auch seine Selbstständigkeit mit einem Schuhvertrieb, habe er wegen der Drogen in den Sand gesetzt, sagt er. Jetzt sei er entschlossen, eine Langzeittherapie zu machen.

Norbert Winkelmann, Vorsitzender Richter der 19. Strafkammer, rät ihm dringend zu einer solchen Behandlung und macht klar: „Es kommt niemand und repariert Sie. Sie müssen das selbst wollen.“

Kurios am Rande: Kurz vor dem Auffahrunfall hatte der Angeklagte die Polizei angerufen. Er wollte wohl aus dem Drogensumpf aussteigen. Er war aber so zugedröhnt, dass er sich nicht verständlich machen konnte.