Alle Beteiligten haben schon häufiger Bekanntschaft mit der Justiz gemacht. Foto: dpa

Zwei Mitglieder einer Diebesbande sind angeklagt, weil es im Milieu zu Streit gekommen sein soll. Sie haben 2014 einen Mann in Filderstadt zwei Tage lang festgehalten, geschlagen und bedroht. Viele Details des Tathergangs sind den Ermittlern ein Rätsel.

Filderstadt - Wer im Gefängnis arbeitet, macht sich mit dem Feind gemein – so in etwa lautet nach Angaben der Polizei der Ehrenkodex bei organisierten Diebesbanden aus Georgien. Es könnte zumindest ein Grund dafür sein, warum ein Mann 2014 in einem Asylbewerberheim an der Seestraße zwei Tage lang von vier Zimmergenossen festgehalten, mit einem Stuhlbein geschlagen und mit einem Klappmesser bedroht worden sein soll. Zwei der mutmaßlichen Täter sitzen seit Dienstag, 21. Februar, auf einer Anklagebank des Landgerichts Stuttgart.

Die Tatvorwürfe reichen von gefährlicher Körperverletzung bis zu erpresserischem Menschenraub: Sollen die Angeklagten doch beim Sohn des Opfers in seinem Heimatland Georgien angerufen und die Umschreibung von dessen Fahrzeug auf sie erwirkt haben. Nachdem Verständigungsbemühungen zwischen der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern scheiterten, beschlossen die 43 und 37 Jahre alten Angeklagten, vorerst zu schweigen.

Motive sind unklar

Als der 57-jährige Ermittler, der den Fall bearbeitete, den Saal betrat, war ihm anzusehen, dass er nicht so recht schlau darüber geworden ist, was die Hintergründe der Tat gewesen sein könnten. Auch, weil das Opfer sich offenbar bei den Vernehmungen vehement selbst widersprach. „In Version Eins war es Vergeltung, weil das Opfer, das kurz vor der Tat wegen Diebstahls im Gefängnis gesessen hatte, dort arbeitete“, sagte der Kripo-Mann aus Esslingen. In organisierten georgischen Diebesbanden gelte dies als unwürdig.

In Version Nummer Zwei hätten die Mitbewohner versucht, ihn zu einem Diebstahl anzustiften – und ihn aufgefordert, dass er monatlich 20 Euro für andere georgische Häftlinge bezahle. Nachdem sich das Opfer geweigert habe, hätten die Angeklagten und zwei weitere Männer, die in gesonderten Verfahren verfolgt werden, ein Exempel statuiert.

Alle Beteiligten sind vorbestraft

Auch was zum Tatzeitpunkt im dritten Obergeschoss des Asylbewerberheims genau passiert sein soll, ist nicht ganz klar. Zunächst, so die erste Zeugenaussage des Opfers, soll die Freiheitsberaubung drei Tage betragen haben – später korrigierte sich der Mann auf zwei. Genauso verhält es sich mit den Aussagen, wer der vier Männer zugeschlagen haben soll. Mal sollen es nur zwei gewesen sein, dann alle. Auch ob der Sohn, angeblich ein Kameramann, von der misslichen Lage des Vaters gewusst haben soll, oder seinen Mercedes SLK im Wert von „5700 US-Dollar“ unter einem anderen Vorwand auf Familienangehörige der Angeklagten überschrieben haben soll, ist noch ein Rätsel.

Fakt dagegen ist, dass alle Beteiligten wegen bandenmäßigen Diebstahls vorbestraft sind und bereits mehrere Gefängnisaufenthalte verbüßten, so der Richter. Belastendes Material – ein Stuhlbein und ein Klappmesser – fand die Polizei bei einer Hausdurchsuchung des 37-jährigen Angeklagten. Einen anderen der Männer dagegen zunächst überhaupt nicht: Der saß da nämlich schon wieder wegen Einbruchs im Gefängnis, als die Polizei anklopfte.

Auch in Georgien wird ermittelt

Ein Klappmesser, ein Stuhlbein und zumindest in der Vergangenheit offenbar jede Menge krimineller Energie – für die Kammer und die Staatsanwaltschaft dürften sich die kommenden Prozesstage dennoch nicht als ganz einfach erweisen. Denn das Opfer lebt mittlerweile wieder in Georgien, die mühseligen Vernehmungen haben dafür gesorgt, dass sich der Prozess um fast drei Jahre verzögert hat. Auch dem vernommenen Kommissar aus Esslingen sind nicht mehr alle Details erinnerlich.

Doch sind die Polizisten hier nicht die Einzigen, die ermittelt haben. Über Interpol hat die georgische Polizei eine Anfrage gestellt, die sich offenbar um die Verhandlung am Landgericht Stuttgart dreht. Diese wird am 23. Februar fortgesetzt.