Ein weißer Kittel macht noch keinen Arzt. Foto: dpa

Als Dr. Sascha Schenk hat er Spritzen verabreicht. Nun steht der flasche Arzt vor Gericht.

Stuttgart - Als Dr. Sascha Schenk hat er Spritzen verabreicht und Zugänge gelegt. Tatsächlich hat der 27-jährige Hauptschulabsolvent überhaupt keine Berufsausbildung, geschweige denn einen Doktortitel. Seit Dienstag muss sich der Böblinger vor dem Landgericht Stuttgart verantworten.

Während der Ermittlungen gegen den 27-Jährigen hatte sich ein böser Verdacht ergeben: Anfang vorigen Jahres waren zwei Menschen gestorben, die der falsche Notarzt Dr. Sascha Schenk in Horb behandelt hatte. Die rechtsmedizinischen Gutachten haben den mutmaßlichen Hochstapler allerdings entlastet. Die Patienten seien beide gesundheitlich massiv vorgeschädigt gewesen, der Angeklagte sei nicht an deren Tod schuld.

Deshalb wird dem 27-Jährigen, der sich im Saal 6 des Landgerichts Stuttgart in Anzug und mit Krawatte bereitwillig ablichten lässt, lediglich gefährliche Körperverletzung in 161 Fällen vorgeworfen. Die weiteren Vorwürfe: Urkundenfälschung, Diebstahl, Betrug und Missbrauch von Titeln. "Mein Mandant wird am nächsten Prozesstag umfangreiche Angaben machen", kündigt Verteidiger Jens Rabe an.

Klinikpraktikum im Katharinenhospital

Der Mann, der zwar Sascha S. heißt, aber eben nicht Dr. Sascha Schenk, hat Klinikchefs in München und in Horb genarrt sowie maßgebliche Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) hinters Licht geführt.

Der berufs- und arbeitslose Bursche war im Jahr 2000 Mitglied in den DRK-Ortsvereinen Böblingen und Stuttgart. Dort ließ er sich zum Rettungshelfer ausbilden. Aber schon damals soll er betrogen haben. Zwar bestand er 2002 die Prüfung. Allerdings musste er ein Klinikpraktikum nachweisen. Für den jungen Mann kein Problem - obwohl er nie eines absolviert haben soll. Laut Anklage fälschte er das Testat, in dem geschrieben stand, er habe 160 Stunden im Katharinenhospital in Stuttgart abgeleistet. Fortan war er Rettungshelfer.

Im April 2009 besuchte er einen Bekannten im Katharinenhospital (KH), als ein Paketbote mit einem 2500 Euro teuren Laptop auftauchte und einen Klinikmitarbeiter suchte. Der 27-Jährige gab sich als KH-Mitarbeiter aus und nahm den Computer in Empfang - und in Besitz.

Im Sommer 2009 sollen seine Finanzen derart desolat gewesen sein, dass er sich entschlossen haben soll, künftig als Dr. Sascha Schenk Geld zu verdienen. An seinem Computer fälschte er seine Approbationsurkunde, die vom Regierungspräsidium Stuttgart im Juli 2009 abgesegnet wurde. Jetzt war Sascha S. zum Anästhesiearzt Dr. Sascha Schenk geworden. Über eine Bielefelder Agentur für Ärzte ließ er sich an das Paracelsus-Krankenhaus in München vermitteln, wo er auf Honorarbasis vom 3. August bis zum 23. Dezember 2009 arbeitete und knapp 20.000 Euro verdiente. Niemand merkte etwas. Seine Bewerbungsunterlagen und sein Auftreten müssen trotz seines jungen Alters sehr überzeugend gewesen sein. Dr. Sascha Schenk wurde gar mehrfach von Kollegen gelobt.

Zwischenzeitlich als Hobbyjurist tätig

Allein in München war der mehrfach vorbestrafte Mann 143-mal an stationären Patienten aktiv. Er nahm die Anästhesie vor, nahm Blut ab, intubierte Patienten und verabreichte Spritzen. "Es ist niemand zu Schaden gekommen", betont Verteidiger Rabe.

Zwischen Oktober 2009 und Januar 2010 arbeitete der Angeklagte als sogenannter Helfer vor Ort beim DRK Aspach im Rems-Murr-Kreis, wo er neun Patienten unter anderem mit Injektionen und dem Legen von Zugängen versorgte.

In München soll man mit dem jungen, aufstrebenden Mediziner so zufrieden gewesen sein, dass man ihm im Januar 2010 einen festen Job anbot. Sascha S. soll allerdings befürchtet haben, dann aufzufliegen.

Zwischenzeitlich als Hobbyjurist tätig

Also heuerte er im Januar 2010 beim Hospital zum Heiligen Geist in Horb als Notarzt an - natürlich wieder mit einer am heimischen Computer gefälschten Zulassungsurkunde. In dem Horber Krankenhaus, das zu den Freudenstädter Kreiskliniken gehört, praktizierte Dr. Sascha Schenk auf Provisionsbasis bis Ende Januar 2010. Seine Unterlagen seien tadellos gewesen, so der Stellvertretende Klinikchef Werner Straub - "sehr gute Fälschungen".

Am 1. Februar 2010 nahm die Polizei den falschen Arzt fest. Sascha S. hatte sich in einer mehrseitigen E-Mail beim DRK über die Organisation der Rettungshelfereinsätze im Rems-Murr-Kreis beschwert. Allerdings war die E-Mail gespickt mit Rechtschreibfehlern, was Misstrauen erregte und schließlich Nachforschungen auslöste.

Derzeit sitzt Sascha S. in Strafhaft. Er verbüßt eine achtmonatige Strafe, die das Amtsgericht Maulbronn gegen ihn wegen Stalkings verhängt hat. Der 27-Jährige hatte seiner Ex-Freundin massiv nachgestellt. Er soll zudem wegen Betrugs vorbestraft sein. Zwischenzeitlich betätigt sich der Angeklagte als Hobbyjurist. Er wird die Besetzung der 5. Strafkammer rügen, weil nur mit zwei Berufsrichtern gegen ihn verhandelt wird. Er will drei.