Die Muttergesellschaft von zwei Discounterketten verklagt das Land auf Schadensersatz in Höhe von mehr als 32 Millionen Euro. Wurden die Märkte während der Corona-Lockdowns unangemessen benachteiligt?
Auch die Gerichte landauf landab haben ihr Post-Covid-Syndrom: Noch immer sind sie mit Klagen beschäftigt, die aus der Corona-Zeit herrühren. Insbesondere sorgten die Lockdowns in den Jahren 2020 und 2021 für Betriebsschließungen, die als unangemessene Härten empfunden werden. Weiterhin gehen Unternehmen gegen die damaligen Verordnungen vor – wie jetzt am Landgericht Stuttgart.
Da klagt die Muttergesellschaft zweier großer Discounter, die B.H. Holding, zu der die Nonfood-Ketten Tedi und Woolworth gehören, gegen das Land Baden-Württemberg auf Schadensersatz – somit relativ spät angesichts der dreijährigen Verjährungsfrist. Geltend gemacht werden Ansprüche in Höhe von über 32 Millionen Euro. Die teilweise mehrmonatigen Geschäftsschließungen sollen für einen Gewinnausfall der betroffenen Läden im Südwesten im entsprechenden Umfang verantwortlich sein.
Reiner „Non-Food“-Einzelhandel benachteiligt?
Die B.H. Holding mit Sitz in Dortmund wird durch die Kanzlei Heuking vertreten – deren Vertreter sind der Auffassung, dass die Rechtsverordnungen zu den Lockdowns ihre Discounter unverhältnismäßig stark in den Eigentumsrechten verletzt hätten. Denn während das Land dem reinen „Non-Food“-Einzelhandel die Öffnung für den Publikumsverkehr vollständig untersagt habe, hätten Lebensmittelhändler und weitere privilegierte Einzelhandelsbetriebe in dieser Zeit öffnen und dabei auch die gesamten Non-Food-Sortimente ohne relevante Beschränkung verkaufen dürfen. Gleichartige Klagen gegen weitere Bundesländer wurden auch bei anderen Landgerichten erhoben.
Wer durfte wann und warum öffnen – mit welchem Effekt auf das Infektionsgeschehen? Diese Diskussion wird auch vor Gericht geführt. Um vom Lockdown ausgenommen zu werden, mussten die Märkte zu mehr als 50 Prozent Lebensmittel verkaufen und damit als essenziell für die Grundversorgung gelten. Die Klägerseite sieht aber im Non-Food-Bereich eine „neunzigprozentige Überschneidung des Sortiments“ mit Vollsortiment-Anbietern wie Edeka, Rewe, Kaufland oder Marktkauf und fühlt sich entsprechend diskriminiert. Verwiesen wird auf die Ungleichbehandlung bei Drogerieartikeln, die ebenso zum täglichen Bedarf gehören.
Vertreter des Landes hat kein Interesse an gütlicher Einigung
Die Stuttgarter Kanzlei Oppenländer hat das Land schon in etwa 20 dieser Schadenersatzverfahren vertreten – zwei bis in die höchste Instanz. So zeigt sich Rechtsanwalt Malte Weitner zuversichtlich: „Bisher sind alle Verfahren, die sich auf die staatshaftungsrechtlichen Themen beziehen, im Sinne der beteiligten Länder entschieden worden.“ Auch hat der Bundesgerichtshof (BGH) schon mehrere derartige Klagen abgewiesen, selbst wenn die Fälle nicht deckungsgleich waren. Allein deswegen mag sich Weitner – auf die übliche Frage des Vorsitzenden Richters hin – nicht auf eine gütliche Einigung einlassen. Die generelle Einigungsbereitschaft der Klägerseite verhallt somit.
Entscheidend ist die damalige Einschätzung der Infektionslage
Der Richter macht deutlich, dass in diesem Fall die damaligen Einschätzungen zur Infektionseindämmung als Grundlage für den Erlass der Verordnung maßgeblich seien. Zudem lässt er durchblicken, dass er zunächst dem Grunde nach entscheiden wolle und nicht über die Schadenshöhe. Zudem geht er davon aus, „dass das Verfahren nicht bei uns enden wird“. Einen Verkündungstermin hat er für Mitte April ins Auge gefasst.