Bei dem blutigen Kampf nahe des Milaneo waren 16 Einsatzfahrzeuge der Polizei vor Ort. Foto: dpa

Das Landgericht Stuttgart hat einen jungen Araber verurteilt, der einem 27-Jährigen ein Messer in den Kopf gerammt hatte. Der Richter sparte dabei nicht mit deutlichen Worten.

Stuttgart - Er hat seinem Widerpart ein Messer in die Schläfe gerammt – mit schlimmen, womöglich lebenslangen Folgen für das Opfer. Trotzdem wollte der 22-jährige Angeklagte einen Freispruch. Sein Mandant habe in Notwehr gehandelt, so auch sein Verteidiger. Die 9. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart sah es anders und verurteilte den Flüchtling aus Syrien wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu sechs Jahren Gefängnis. Bei der Urteilsbegründung sparte Vorsitzender Richter Jörg Geiger nicht mit deutlichen Worten.

Man habe zahlreiche Zeugen gehört. „Nahezu alle haben uns belogen“, so der Richter. Es scheine in deren Wertvorstellungen normal zu sein, ein Gericht zu belügen. Auch die Zeugen aus der Gruppe des Opfers hätten gelogen, sagte Geiger. „Rotzfrech“ habe sich so mancher junger Mann im Zeugenstand verhalten. Die Kammer habe den Eindruck gewonnen, die Gruppen – syrische Araber und Kurden aus dem Irak – wollten den Konflikt selbst regeln. Man habe es beim vorliegenden Fall mit „importierten ethnischen Spannungen“ zu tun.

Das Opfer bleibt wohl geistig geschädigt

Im Flüchtlingswohnheim im ehemaligen Bürgerhospital an der Tunzhofer Straße schwelt seit einiger Zeit ein Konflikt zwischen Arabern und Kurden. Nach mehreren, auch gewalttätigen Zusammenstößen war es am 10. März dieses Jahres beim Einkaufszentrum Milaneo zu einem „Showdown“, gekommen, so der Richter. Alle Beteiligten hätten dies gewusst, keiner sei zufällig an der Stadtbahnhaltestelle Stadtbibliothek gewesen.

Als der Streit eskalierte, stieß der Angeklagte einem 27-jährigen Kurden ein Messer in die Schläfe. Mehrere weitere Kurden wurden ebenfalls durch Schnitte und Stiche verletzt. Der 27-Jährige konnte durch eine Notoperation gerettet werden. Er sei dauerhaft geistig schwer geschädigt, so Geiger. Eine Besserung sei nicht absehbar.

Die Staatsanwältin hatte siebeneinhalb Jahre Gefängnis gefordert, die Kammer verhängte schließlich sechs Jahre gegen den 22-Jährigen. Der Angeklagte habe keineswegs in Notwehr gehandelt, sagte Richter Geiger. Erstens habe er die Situation maßgeblich mitherbeigeführt. Zweitens sei der Messereinsatz „völlig unverhältnismäßig“ gewesen. Der 22-Jährige muss dem Mann, den er am Kopf so schwer verletzt hat, 20 000 Euro bezahlen.