Sicherheitsmaßnahmen vor dem Landgericht beim ersten Prozess 2013: Die Polizei ist alarmiert, wenn es um Black Jackets und Red Legion geht. Foto: Max Kovalenko

Ende Dezember 2012 wurde ein 22 Jahre altes Mitglied der Straßenbande Black Jackets in Esslingen erstochen. Ein wegen Mordes verurteilter Mann steht deshalb erneut vor Gericht, weil der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil gekippt hat.

Stuttgart/Esslingen - Es ist der späte Abend des 21. Dezember 2012. Vor einer Sisha-Bar an der Entengrabenstraße in Esslingen kommt es zu einem wüsten Kampf zwischen den verfeindeten Straßenbanden Red Legion und Black Jackets. Nur wenige Minuten später liegt ein 22-jähriger Mann aus den Reihen der Black Jackets in seinem Blut. Er stirbt noch am Tatort.

Der Mann, der die tödlichen Stiche gesetzt hat, wird nie ermittelt. Trotzdem hat das Landgericht Stuttgart zwei Mitglieder der inzwischen verbotenen Red Legion wegen Mordes verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese beiden Urteile kassiert. Er sieht lediglich eine Körperverletzung mit Todesfolge. Deshalb steht seit Dienstag im ersten der zwei anstehenden Prozesse ein 24-Jähriger erneut vor dem Landgericht. Die 4. Jugendstrafkammer muss das Strafmaß neu festlegen.

Anwalt: „Rechtlich nicht haltbar“

Das Landgericht hatte in drei Prozessen insgesamt 18 Legionisten beziehungsweise Anhänger dieser Gruppe auf der Anklagebank. Die meisten Männer im Alter von 23 bis 28 Jahren waren wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. Nicht so der heute 24-jährige Angeklagte aus Esslingen. Ende Februar vergangenen Jahres verurteilte ihn eine Jugendkammer wegen Mordes zu acht Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe. Einer seiner älteren Mitangeklagten wurde in einem anderen Verfahren mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe belegt. „Ein mutiger Versuch des Landgerichts, den Auseinandersetzungen dieser Gruppen Herr zu werden – aber eben rechtlich nicht haltbar“, sagt Rechtsanwalt Kristian Frank, der eines der Opfer in der Nebenklage vertritt.

Zwischen den beiden Straßenbanden ging es um die Vormachtstellung im Raum Stuttgart. Die Feindschaft zwischen der Red Legion und den Black Jackets rührt von einem dramatischen Vorfall aus dem Juli 2009 her. Damals überfiel ein Rollkommando der Schwarzjacken nachts eine Gruppe junger Menschen auf dem Hof einer Schule in Esslingen. Die Angreifer vermuteten Mitglieder der Vorgängergruppe der Red Legion, La Fraternidad, auf dem Hof. Mehrere Personen wurden schwer verletzt, ein völlig unbeteiligter Berufsschüler wurde zum Pflegefall geprügelt. Seither war es immer wieder zu Zusammenstößen der gewaltbereiten Gruppen gekommen.

Explosionsartige Attacke

So wie am 21. Dezember 2012. Elf Schwarzjacken waren nach Esslingen gefahren, um in einer Shisa-Bar den Abend zu verbringen. Offenbar war die Gruppe nicht auf Provokation aus, denn zuerst hatte sie vergeblich versucht, in Bad Cannstatt und in Fellbach einen Tisch zu reservieren. Red-Legion-Männer bekamen Wind von der Präsenz der verhassten Black Jackets in Esslingen. Das wollten sie nicht durchgehen lassen. Eine Machtdemonstration, ein Denkzettel musste her. Vor der Bar nahe dem Obertor rotteten sich 26 Legionisten zusammen. Eine Delegation holte die Black Jackets heraus. Die Opfer seien in eine Überzahlfalle gelockt worden, so das Gericht damals. Der jetzt vor dem Landgericht stehende Angeklagte setzte zwei Stiche in die Bauchgegend des Black-Jackets-Präsidenten, der dadurch nur leicht verletzt wurde. Diese zwei Stiche seien wie das Signal für eine explosionsartige Attacke auf die Opfer gewesen.

BGH hebt Mordurteil auf

Der Tod des 22-Jährigen, der zwei tiefe Stiche in den Bauch und in die Brust abbekommen hatte, sei die unmittelbare Folge des Tuns des Angeklagten gewesen, so die Richter. Er habe gebilligt, dass seine Kumpels ebenfalls Messer einsetzen und dass jemand zu Tode kommen könnte. Er habe den Black Jackets das Lebensrecht abgesprochen, was dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe entspreche. Obwohl der Mörder des 22-Jährigen nicht ermittelt werden konnte, müsse sich der Angeklagte dessen Tat zurechnen lassen. Also Mord und achteinhalb Jahre Jugendstrafe.

Der BGH sieht es anders. Es habe kein gemeinsamer Tatplan existiert, der heute 24-Jährige könne nicht als Mittäter verurteilt werden. Der BGH hob das Mordurteil auf. Der Prozess, bei dem keine Beweisaufnahme mehr vorgenommen werden muss, wird am 23. August fortgesetzt.