Der Hauptangeklagte wird wegen Mordes angeklagt. Foto: dpa/Roland Weihrauch

Das Rennen ergab sich bei einem Treffen: Zwei junge Männer, zwei schwere Autos, über 550 PS in einer Wohnstraße. Einer rast in einen Kleinwagen. Die Fahrerin stirbt. Beide Männer stehen vor Gericht. Einer wegen Mordes.

Kleve - Es ist der Abend des Ostermontags 2019: Ein Treffen auf dem Parkplatz eines Supermarktes im niederrheinischen Moers. Zwei junge Kerle lassen laut Anklage die Motoren ihrer schweren PS-starken Autos aufheulen - wie eine Art Machtdemonstration. Sie wollen es wissen, es kommt zum Rennen. Einer kracht in einen Kleinwagen einer unbeteiligten Frau. Sie stirbt nach drei Tagen.

Nach dem mutmaßlichen illegalen Autorennen hat am Montag vor dem Landgericht Kleve der Prozess gegen zwei 22 Jahre alte Männer begonnen. Die Angeklagten aus Duisburg haben sich laut Anklage im vergangenen April in Moers mit ihren über 550 und 600 PS-starken Autos auf einer zweispurigen Wohnstraße ein Rennen geliefert. Beide Angeklagten gaben beim Prozessauftakt das Rennen zu.

Bis zu 160 km/h

Beide hätten die Gaspedale durchgetreten, stellte Staatsanwältin Julia Pöschel fest. Der wegen Mordes angeklagte Kosovare erreichte demnach mit dem Mercedes-AMG eine Spitzengeschwindigkeit von über 160 Kilometern pro Stunde - auf der linken Spur. An einer Kreuzung bog die 43-jährige Autofahrerin mit ihrem Kleinwagen auf die bevorrechtigte Straße ab. Sie habe die Autos in der Dunkelheit sehen können, aber nicht die Umstände der Fahrt, sagte Staatsanwältin Julia Pöschel.

Der Unfallfahrer habe vergeblich versucht zu bremsen, sei ins Heck des Kleinwagens gekracht: Der Kleinwagen schleuderte in ein geparktes Auto und gegen einen Baum, die Frau wurde herausgeschleudert. Sie starb nach drei Tagen.

Frau hat pures Glück

Eine weitere Frau muss nach Angaben der Staatsanwaltschaft einfach nur Glück gehabt haben: Bei dem Aufprall des Mercedes war die Wucht so groß, dass ein Reserverad aus dem Kleinwagen heraus katapultiert wurde. Die Fußgängerin habe sich zufällig zu ihrem Hund gebeugt, ansonsten hätte sie das Rad wohl erwischt.

Der mutmaßliche Todesfahrer wurde in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Für ihn geht es um viel in dem Prozess: Er ist des Mordes angeklagt und der Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge. Laut Anklage hatte er keinen Führerschein und war mit dem Auto des Vaters unterwegs.

Ihm sei es gleichgültig gewesen, dass im Falle eines Unfalls Menschen sterben könnten, begründete die Staatsanwältin die Mordanklage. Er habe die Gefahr für Leib und Leben anderer Menschen in Kauf genommen und habe mit einem Zusammenstoß rechnen müssen.

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Anwalt Thilo Pfordte sagte dagegen, der 22-Jährige sei sich der Gefahr bewusst gewesen, habe aber darauf vertraut, dass es nicht zu einem Unfall komme. Er sei davon ausgegangen, „dass alles gut gehen würde“. Nach dem Unfall hatte der Angeklagte laut Anklage sein Auto stehen lassen und war geflüchtet.

Der zweite Angeklagte soll mit drei Bekannten in einem Range Rover unterwegs gewesen sein. Der Deutsche, ist der Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge angeklagt. Nach dem Unfall habe er sein Auto in einer Seitenstraße abgestellt und mit seinen Beifahrern Erste Hilfe geleistet, stellte die Anklage fest.

Der Ehemann des Opfers und die volljährigen Kinder sind Nebenkläger in dem Verfahren. Sie wohnten auch weiterhin im dem Viertel und kämen immer wieder an der Unfallstelle vorbei, sagte ihr Anwalt Christian Stieg. „Der erste Verhandlungstag ist für sie wichtig, aber sehr belastend“, erklärte Stieg. Die Familie selbst war nicht im Gericht.