In Karlsruhe steht ein Journalist des linken Freiburger Senders Radio Dreyeckland vor Gericht. Das Verfahren ist umstritten.
Erst wollte die Karlsruher Staatsschutzkammer von dem Verfahren nichts wissen, jetzt nimmt sie sich dem Fall besonders ausführlich an. Am Donnerstag hat am Karlsruher Landgericht der Prozess gegen einen Redakteur des linken Freiburger Senders Radio Dreyeckland (RDL) begonnen. Ihm wird die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung vorgeworfen, weil er in einem Onlinebeitrag einen Link zur Archivseite der verbotenen Plattform Indymedia linksunten gesetzt hatte.
Sechs Prozesstage sind angesetzt, drei weitere zur Reserve geblockt. Vor einem Jahr hatten die Karlsruher Richter die Eröffnung des Verfahrens noch abgelehnt. Erst ein Beschluss des in Staatsschutzsachen zuständigen Oberlandesgerichts (OLG) in Stuttgart erzwang den Prozess, der dem Journalisten nun bis zu drei Jahren Haft einbringen könnte. „Es geht hier um die Pressefreiheit“, sagte seine Rechtsanwältin Angela Furmaniak.
Seite ist immer noch online
Zum Corpus delicti klickte sich der Vorsitzende Richter im Schwurgerichtssaal gleich selbst durch. Sowohl der RDL-Artikel als auch die Archivseite sind immer noch online. Im ersten Fall sah die Medienaufsicht bisher offenbar keinen Grund zum Einschreiten, im zweiten fehlen den Strafverfolgungsbehörden offenbar die Mittel. Zum Hintergrund äußerte sich der Staatsanwalt Manuel Graulich nicht.
2017 hatte der Bundesinnenminister das Internetportal verboten. Auf Indymedia hatte sich die linksradikale Szene deutschland- und auch europaweit vernetzt. Dabei ging es nicht nur um Infoveranstaltungen und friedliche Demos, sondern auch um Attacken auf Polizeidienststellen. Sogar Anleitungen für den Bau von Molotowcocktails wurden dort geteilt. Allerdings hatten die anonymen Administratoren wohl nur bedingt Zugriff auf die Inhalte. Eine konkrete Zuordnung der Tatbeiträge sei nicht möglich, stellte 2022 die Bundesanwaltschaft fest.
Retourkutsche des Staatsanwalts?
Auch die Ermittlungen wollte der Bundesanwalt damals nicht übernehmen. Im Juli 2022 stellte auch Graulich seine Ermittlungen gegen drei mutmaßliche Betreiber von Linksunten ein. Genau darüber hatte der RDL-Journalist in seinem kurzen Artikel berichtet. Manche linken Sympathisanten vermuten deshalb auch eine Retourkutsche hinter Graulichs Anklage, der im Januar 2023 sogar Hausdurchsuchungen vorausgingen.
Doch kann man eine Vereinigung, die gar nicht mehr existiert, überhaupt unterstützen? Und ist eine Verlinkung auf eine statische Archivseite nicht eher eine bloße Information als eine Unterstützung? Viel spricht dafür, dass das Landgericht weiterhin Zweifel an der Anklage und insbesondere am Fortbestand einer kriminellen Vereinigung hegt. Es kämen aber auch andere Delikte wie die öffentliche Aufforderung zu Straftaten oder deren Billigung in Betracht, sagte der Vorsitzende Richter. Sollte das Landgericht dennoch zu einem Freispruch kommen, wäre das Stuttgarter OLG übrigens machtlos. Dann bliebe der Fall in Karlsruhe. Eine Revision muss wie sonst auch beim dortigen Bundesgerichtshof eingelegt werden.