Marie-Luise Linckh betreibt einen Hofladen. Foto: factum/Bach

Kuchen, Handarbeit und Hoppsassa? Von wegen! Noch immer müssen sich die engagierten Damen erklären. Auch wenn die Landfrauen im Kreis inzwischen seit 70 Jahren im Verein organisiert sind.

Ludwigsburg - - Fachwerk, eine Katze im Fenster, über den Feldern Nebel: idyllischer geht es kaum. Dort, auf den Feldern vor Enzweihingen, lebt Marie-Luise Linckh, die Vorsitzende der Landfrauen im Kreis Ludwigsburg. Zum 70. Geburtstag des Verbands spricht sie über seine Geschichte, seine Mitglieder – und über schrecklich hartnäckige Klischees.
Frau Linckh, der Besucher Ihrer Homepage wird mit den Worten begrüßt: „Landfrauen – so ganz anders als Sie denken.“ Wie denken Sie denn, dass ich denke?
Wahrscheinlich denken Sie, die Landfrauen, das ist der Zwiebelkuchenbackverein für alle Feschtle.
Im Terminkalender der Kreis-Landfrauen stehen Angebote wie „Handarbeitstreff“, „Girlanden binden im Heimatverein“ und „Lustiges Allerlei mit dem Altenkreis“. Wie könnte ich etwas anderes denken?
Diese Angebote gehören natürlich dazu. Aber wir Landfrauen sind viel, viel mehr.
Was ist das Ziel der Landfrauen?
Als die Gräfin Leutrum von Ertingen die hiesigen Landfrauen vor 70 Jahren gegründet hat, ging es ihr in erster Linie darum, die Frauen einfach mal rauszuholen aus ihrem Alltag. Zwar hat damals fast noch jede Frau einen Garten gehabt, mit dessen Erträgen sie ihre Familie versorgte, aber trotzdem waren die Landfrauen von damals nicht alle Bauersfrauen. Und auch heute muss man nichts mit Landwirtschaft zu tun haben, um zu uns zu kommen. Das wissen viele nicht. Ich bin immer wieder irritiert darüber, dass sich das Klischee von der altmodischen Landfrau so hartnäckig hält.
Aber es ging damals schon um ländliche Themen, oder?
Natürlich drehten sich die Themen anfangs mehr um den Haushalt und den Garten. Es ging ums Einmachen, und später wurden gemeinsam erste Gefrieranlagen angeschafft. Aber mit der Zeit haben sich die Themen geändert. Die Landfrauen vertreten die politischen Interessen von Frauen im ländlichen Raum. Und der ländliche Raum sind wir eigentlich alle.
Was sind die Themen von heute?
Ein Thema ist die Gesundheit. Ohne die Initiative und die Spenden der Landfrauen wäre etwa das Brustkrebstelefon in Heidelberg vor zehn Jahren nicht erhalten geblieben. Heute ist es durch eine Bundesförderung gesichert. Wir haben uns auch dafür eingesetzt, dass das neue Bildungszeitgesetz nicht nur für berufliche Weiterbildung gilt, sondern auch für ehrenamtliche. Der Landesverband der Landfrauen bildet unter anderem Übungsleiterinnen aus.
Übungsleiterinnen?
Ja, Übungsleiterinnen. Weil wir präventive Gymnastikkurse anbieten. Die Leiterinnen für diese Kurse bilden wir in Zusammenarbeit mit dem Schwäbischen Turnerbund aus. Und damit wir genügend künftige Leiterinnen finden, war es uns wichtig, dass sie auch in den Genuss des Bildungszeitgesetzes kommen. Natürlich setzen wir uns auch für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein. Und, das können Sie sich merken: wir sind viele Frauen, wir sind ein großes Netzwerk. Wenn wir mal eine Unterschriftenaktion machen, kommen ein paar Tausend Unterschriften zusammen. Das hat dann schon Gewicht.
Trotzdem ist das öffentliche Bild der Landfrauen ein anderes. Ärgert Sie das?
Ärgern nicht. Aber manchmal bin ich ein bisschen frustriert. Jetzt machen wir das seit 70 Jahren, und es ist immer noch nicht durchgedrungen, wer wir wirklich sind. Wir haben auch schon mal überlegt, ob ein anderer Name besser wäre. Aber der Begriff Landfrau steht für so viel Qualität in so vielen Bereichen, den kann man nicht ernsthaft ablösen wollen.
Alles, was mit „Land“ zu tun hat, ist momentan schwer angesagt. Macht Ihnen das nicht ein bisschen Hoffnung?
Sie meinen die ganzen Land-Lust-Sachen. Ja, da sind wirklich schöne Produkte dabei. Ich kaufe mir auch ab und zu ein Magazin. Andererseits haben die Darstellungen halt nicht so viel mit der Realität in der Landwirtschaft zu tun. Was man da für einen Daseinskampf hat, kommt überhaupt nicht raus. Auf diesem Gebiet sind wir Landfrauen natürlich auch engagiert.
Wie genau?
Zum Beispiel, indem wir jetzt ein Fachseminar für Bäuerinnen machen. Wir in der Landwirtschaft fühlen uns oft angegriffen: Egal, was ist, der Bauer ist schuld. Bestimmt gibt es hier, wie in jeder Branche, auch schwarze Schafe, aber der normale Landwirt will doch einfach nur gute Lebensmittel produzieren. So gute Produkte wie auf dem Bauernhof gibt es nirgends. Das wollen wir besser darstellen. Deshalb bieten wir Workshops an, mit denen wir Frauen stärken wollen. Sie sollen sagen können: ich stehe für das, was wir machen.
Ihr Kreisverband hat 5700 Mitglieder. Sind Sie mit dieser Zahl zufrieden?
Wir waren schon mal 6000. Bei uns ist es wie in vielen Vereinen: Wir werden immer älter. Neue Mitglieder kommen nicht im selben Maß nach, wie ältere ausscheiden.
Haben Sie schon ein Gegenmittel gefunden?
Wir versuchen natürlich, junge Frauen für uns zu gewinnen. Indem wir beispielsweise Angebote machen für Erziehungsfragen. Aber es ist mühsam. Viele denken womöglich, wenn sie zu einem unserer Vorträge kommen, sind sie verpflichtet, irgendwann mal bei einem Fleckenfest zu bedienen. Aber das muss man überhaupt nicht. Übrigens: wissen Sie, was interessant ist?
Was denn?
Wenn wir auf der Suche nach attraktiven Angeboten junge Frauen fragen, welche Themen sie interessant fänden, wünschen sich viele einen Koch- oder einen Backkurs.
Wie sieht die Feier zum 70. Geburtstag der Landfrauen im Kreis aus: bringt jeder Gast einen selbst gebackenen Kuchen mit?
(lacht) Nein! Wir feiern am 7. März im Forum am Schlosspark und lassen uns in einem wunderschönen Ambiente bewirten. Dieser Tag soll etwas ganz Besonderes sein. Als Gastredner haben wir Winfried Köster eingeladen, das ist ein sehr interessanter Mann, der sehr kurzweilig über den demografischen Wandel und Integration spricht. Und zu den unterhaltenden Darbietungen gehört ein Auftritt einer Bauchtanzgruppe aus Poppenweiler. Sie sehen: auch das gibt es bei den Landfrauen.
Wäre es Ihnen recht, wenn ich nun denke: Landfrauen haben den Schlüssel zum Glück?
Ich weiß nicht, ob Sie automatisch glücklich sind, wenn Sie bei den Landrauen wären. Besser Sie denken: Landfrauen sind am Puls der Zeit.

Marie-Luise Linckh, 60, ist nicht nur die Vorsitzende der Landfrauen im Kreis Ludwigsburg, sie ist auch die Präsidentin des Landfrauenverbands Württemberg-Baden. Im Gemeinderat ihrer Heimatstadt Vaihingen sitzt sie für die CDU, außerdem ist sie stellvertretende Ortsvorsteherin des Stadtteils Enzweihingen, wo ihr Hof steht. Dort lebt sie mit ihrem Mann, den drei erwachsenen Kindern und vier Enkeln. Ein landwirtschaftlicher Hintergrund ist bei den Landfrauen aber kein Muss.

Der Kreisverband Ludwigsburg besteht aus 57 Ortsvereinen, die in sechs Bezirke aufgeteilt sind. Die 5700 Mitglieder sind zwischen 20 und 90 Jahre alt. In den drei Landesverbänden, die es in Baden-Württemberg insgesamt gibt, sind rund 55 000 Frauen Mitglied.