Ein Kleindenkmal im Schatten der Gültsteiner Peterskirche: das Portal der Mauer mit zwei Hopfenzapfen darauf und dem Dorfwappen. Foto: factum/Granville (3), Landratsamt Böblingen (2)

Rund 120 Ehrenamtliche haben im Kreis kleine Kunstwerke und Kulturgüter für die Nachwelt dokumentiert. Das Amt für Denkmalpflege widmet jetzt im Internet den Kleindenkmalen einen Auftritt.

Herrenberg/Steinenbronn - Am Ende hat Gerhard Kauffeldt die ganze Arbeit in Gültstein alleine gemacht. Zwei Jahre lang durchforstete er den Herrenberger Ortsteil. „Ich dachte, ich finde Helfer“, sagte er. Stattdessen bekam der Ortschaftsrat Tipps– und am Ende hatte er eine Sammlung von 70 Kleindenkmalen zusammen. Ausgerüstet mit einem Fotoapparat und einem Formular zog der 69-Jährige los und machte sich ein Bild. Zum Beispiel an der Mauer der Peterskirche: Das Portal ist mit zwei Hopfenfrüchten geschmückt, über dem Eingang prangt das Wappen mit dem Gültsteiner Hirsch samt Abtsstab. Oder in der Schlossstraße: Dort steht vor einem Haus ein Trinktrog für vorbeiziehende Kühe und Pferde, er dürfte etwa 200 Jahre alt sein. „Hier ist alles geschichtsträchtig“; sagt Gerhard Kauffeldt.

Ehrenamtsprojekt für Hobbyhistoriker

Als einer von 120 Ehrenamtlichen war der Gültsteiner in den vergangenen zwei Jahren unterwegs, um die Kleindenkmale im Kreis Böblingen zu erfassen. Seit 15 Jahren läuft das Ehrenamtsprojekt für Hobbyhistoriker in Baden-Württemberg, es ist das deutschlandweit größte auf dem Gebiet der Denkmalpflege. Vereine wie der Schwäbische Heimatbund und der Schwäbische Albverein machen mit, landesweit Wegkreuze, Gedenksteine, Inschriften oder Skulpturen zu sammeln. „Oft gerieten sie aus den Augen und damit aus dem Sinn und drohten zu vergessen und zu verfallen“, sagt Martina Blaschka, die bei dem Landesamt Referentin für Kleindenkmale ist.

Im Kreis Böblingen wurden in allen Städten und Gemeinden diese Zeugnisse der Geschichte erfasst, fotografiert und kartiert. Dabei wurde einige Böblinger Besonderheiten entdeckt, Ein Beispiel sind für Helga Hager die unterirdischen Pirschgänge im Böblinger Stadtwald und auf Waldenbucher Gemarkung. Sie würden „auf fast einzigartige Weise vom höfischen Leben und der Jagdleidenschaft in der Zeit des Rokoko erzählen“, erklärt die Kreisarchivarin. Der Schwäbische Heimatbund fordert sogar, dieses schwer zugängliche, einmalige Zeugnis zu restaurieren und zu stabilisieren. Und im Böblinger Stadtteil Dagersheim kam durch die Recherche heraus, dass die Sonnenuhr an der Kirche nur deshalb im Jahr 1789 angebracht wurde, um eine Wandmalerei vom Heiligen Christopherus zu überdecken. „Ein Beispiel für das spannungsvolle Verhältnis zwischen katholischer und evangelischer Konfession im Alltag“, findet Helga Hager.

Wasserreiches Steinenbronn mit unzähligen Brunnen

Steinenbronn ist in der historischen Recherche ebenfalls aufgefallen: In dem Ort haben noch 20 Pumpbrunnen aus dem 19. Jahrhundert überdauert. „Sie stehen fast alle sichtbar vor den Häusern, das ist das Schöne daran“, sagt Gitta Obst. Die Vorsitzende des Heimatgeschichtsvereins schwärmte mit einer Gruppe aus, um die Historie des Dorfs zu erfassen. Als die Wasseralfinger Eisenhüttenwerke sich in dem wasserreichen Ort ansiedelten, wurden die Brunnen gegossen. Mit dem Bau von Wasserleitungen dienten sie nur noch dem Vieh. Und nach einer kurzen Renaissance nach dem Zweiten Weltkrieg, als Steinenbronn 500 Einwohner mehr versorgen musste, wurde ihnen endgültig der Hahn abgedreht. „Wir wollen die Mitbürger auf diesen Schatz aufmerksam machen“, sagt Gitta Obst. Ihr Verein plant deshalb, einen Brunnenspaziergang zu installieren – damit die Erkenntnisse „nicht in einem Archiv verschwinden“.

Gerhard Kauffeldt in Gültstein und Hans-Michael Obst in Steinenbronn sind außerdem regelrecht auf die Pirsch gegangen. Der Mann von Gitta Obst hat 120 Grenzsteine mit Hilfe des Jägers aufgetan. „Das war detektivische Knochenarbeit“, sagt seine Frau. Und Gerhard Kauffeldt hat im Wald einen Gedenkstein für einen Mann namens Peter Schanz für die Ewigkeit dokumentiert. Seine Töchter stellten das Denkmal 1955 zur Erinnerung an den Wegesrand. „Von Generation zu Generation geht unheimlich viel Wissen verloren“, sagt der Ortsvorsteher.

Nachschlagewerke

Kreisweit:
Die Erkenntnisse der Kleindenkmal-Sammler sollen für die Öffentlichkeit zugänglich werden. Nachdem das Landesamt für Denkmalpflege die Erfassungen bearbeitet hat, wird das Kreisarchiv eine Publikation herausgeben, kündigt das Landratsamt Böblingen an.

Landesweit:
Seit kurzem ist ein neuer Internetauftritt des Landesamts für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart unter www.kleindenkmale-bw.de online. Dort wird das Projekt vorgestellt und erläutert, wie man selbst auf die Suche gehen kann. Möglichkeiten des Schutzes und Anregungen zur Beschäftigung mit diesen Zeugnissen der hiesigen Kulturlandschaft finden sich ebenfalls auf den Seiten. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Neuigkeiten zum aktuellen Stand der systematischen und flächendeckenden Kleindenkmalerfassung in den Land- und Stadtkreisen in Baden-Württemberg. Beim Landesamt für Denkmalpflege ist Martina Blaschka für das Thema zuständig. Sie ist unter 0711/90 44 52 20 und martina.blaschka@rps.bwl.de zu erreichen.