Inge Schöck ist eine von 25 Personen, die der Ministerpräsident in diesem Jahr mit dem Verdienstorden des Landes ausgezeichnet hat Foto: Kathrin Brenner

25 Menschen zeichnet der Ministerpräsident in diesem Jahr mit dem Verdienstorden des Landes aus. Eine von ihnen ist Inge Schöck, die psychisch kranke Menschen unterstützt. Sie macht sich auch auf politischer Ebene für die Betroffenen stark.

Stuttgart - Anderen auf Augenhöhe zu begegnen ist Inge Schöck wichtig. Die psychisch kranken Menschen, die sie unterstützt, sollen nicht das Gefühl haben, dass sie aufgrund ihrer Krankheit in einer Opferrolle sind. „Deshalb machen wir bei unseren Treffen auch etwas, was allen Spaß macht. Etwas, wo man seine Fähigkeiten erkennt“, erklärt die 71-Jährige. Sie will am Positiven ansetzen, gute Begegnungen schaffen.

1981 gründete Inge Schöck daher mit ihrem Mann in Stuttgart den Treffpunkt Süd, ein Forum für gemeinsame Freizeitgestaltung, in dem sich psychisch Erkrankte und ehrenamtliche Helfer treffen. „Viele Betroffene ziehen sich sehr zurück und vereinsamen. Ihr Selbstwertgefühl leidet unter der Krankheit“, beschreibt Schöck ihre Beobachtungen.

Der Treffpunkt Süd soll das vermeiden und darüber hinaus Vorurteile abbauen. „Auch heute noch werden psychisch kranke Menschen häufig stigmatisiert. Die direkte Begegnung trägt dazu bei, dass Vorurteile verschwinden“, sagt Schöck.

"Viele fühlen sich ohnmächtig gegenüber den Krankenhäusern"

Um die Situation für Betroffene zu verbessern, bringt sie ihre Erfahrungen unter anderem als Vorsitzende des Landesverbands Gemeindepsychiatrie Baden-Württemberg auf politischer Ebene ein. „Viele Menschen sagen mir, dass sie sich ohnmächtig fühlen gegenüber den Krankenhäusern“, erzählt Schöck. Um ihnen eine Stimme zu geben, initiierte sie die Stuttgarter Beschwerdestelle Psychiatrie.

Und auch für die Zukunft hat die 71-Jährige Pläne: Sie möchte die Freizeitangebote um sportliche Aktivitäten erweitern. „Sport ist gut für die Seele. Und außer Muskelkater hat er im Gegensatz zu Medikamenten keine Nebenwirkungen“, sagt sie und lacht. Trotz vieler schwieriger Lebensgeschichten, mit denen sie im Laufe ihres jahrzehntelangen Engagements konfrontiert worden ist, ist Schöck ein positiver Mensch.

„Menschen zu begleiten und sich einzubringen erlebe ich als eine große Bereicherung, und nicht nur ich, sondern auch mein Mann.“ Der hat Inge Schöck in ihrer Arbeit immer unterstützt. „Eigentlich müsste er auch geehrt werden“, findet sie.

Seelentröster, Hausmeister und Chef in Personalunion

Seit 30 Jahren sind Barbara und Ulrich Endreß für die Männer des Wohnheims in der Föhrichstraße in Feuerbach da. Ulrich Endreß kann sich noch gut an seine erste Bekanntschaft mit den Bewohnern des Männerwohnheims in Feuerbach 1984 erinnern: „Da kam einer auf mich zu, das war der Gabor aus Ungarn, der sagte: ‚Ich bin hier der Bürgermeister.‘ Ich hab’ geantwortet: ‚Ab heute gibt’s hier einen Oberbürgermeister, und der bin ich.‘“ Damit waren die Verhältnisse klar.

„Man muss Freund und Chef sein“, erklärt der 74-Jährige. Auf Initiative der evangelisch-methodistischen Gemeinde, der er und seine Frau angehören, war der Kontakt zustande gekommen.

1986 übertrug die Stadt die Verwaltung des Wohnheims auf die Kirche und damit auf Barbara und Ulrich Endreß. Schnell war klar, dass viele der oftmals alkoholabhängigen Bewohner nicht mit ihrem Geld umgehen können. Deshalb verwaltete Barbara Endreß deren Finanzen. „Ich habe ihnen beigebracht, wie man sich sein Geld einteilt“, berichtet sie.

"Feste wie Geburtstage oder Weihnachten sind besonders schlimm"

Auch bei der Suche nach einer Arbeitsstelle oder einer Suchttherapie unterstützt das Ehepaar die Männer. „Feste wie Geburtstage oder Weihnachten sind besonders schlimm für sie, weil sie von ihren Familien getrennt leben“, sagt Ulrich Endreß.

Die beiden bemühen sich darum, Familienkontakte wieder herzustellen, veranstalten Weihnachtsfeiern, Sommerfeste und Ausflüge. „Wenn man die Geschichten der Männer kennt, dann wird einem klar, dass so etwas auch ganz schnell einem selbst passieren kann“, betont Ulrich Endreß.

Vor einigen Jahren wurde er von einem der Bewohner mit einem Messer attackiert. Doch die Arbeit im Wohnheim aufzugeben kam für ihn nicht infrage: „Er war ja psychisch krank, er konnte nichts dafür“, verteidigt Endreß den Angreifer.

Das sieht auch seine Frau so, die von den Männern „Mutter Teresa“ genannt wird, weil sie immer ein offenes Ohr hat. „Das hier ist einfach unsere Aufgabe“, sagt die 56-Jährige. „Dazu stehen wir, auch wenn es mal schwierig wird.“ Aus der Aufgabe sind hier und da Freundschaften entstanden, die bis heute andauern – auch zu Bewohnern, die inzwischen längst außerhalb des Wohnheims erfolgreich ein neues Leben begonnen haben.

Weitere Träger des Verdienstordens des Landes

Weitere Träger des Verdienstordens des Landes

Neben den oben genannten Persönlichkeiten zeichnet Ministerpräsident Winfried Kretschmann noch weitere 22 Menschen am Samstag im Schloss Mannheim mit dem Landesverdienstorden aus. Für herausragende Verdienste um das Land Baden-Württemberg werden geehrt:

Valeri Belenki (Ostfildern) ist Landestrainer beim Schwäbischen Turnerbund sowie Botschafter der Olympiabewerbung Stuttgarts und unterstützt zudem ehrenamtlich Schulsportveranstaltungen.

Ellen Brinkmann (Bötzingen) engagiert sich seit Jahrzehnten für Pflegekinder, Asylbewerber, Flüchtlinge, Obdachlose und Aidskranke.

Reinhard Bütikofer (Berlin) gestaltet grüne Politik bis heute maßgeblich auf allen politischen Ebenen mit, insbesondere in Fragen der Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie.

Herta Däubler-Gmelin (Dußlingen) zeigte als SPD-Politikern Einsatz für den sozialen Rechtsstaat und engagiert sich unter anderem für die Hospizbewegung.

Reiner Ehret (Kirchzarten) setzt sich seit über 20 Jahren für Naturschutz, den Erhalt der Umwelt und eine ökologisch orientierte Verkehrspolitik ein.

Eric Gauthier (Stuttgart), Tänzer und Choreograf, organisiert unter anderem jährlich eine Benefizgala zugunsten der Alzheimer-Forschung und ist Schirmherr einer Kinderrechtsinitiative.

Alexander Gerst (Niedernhall) sammelte als Astronaut an Bord der Raumstation ISS wertvolle Erkenntnisse für Medizin, Biologie und Materialwissenschaften.

Stefan Hell (Heidelberg) entwickelte die hochauflösende Fluoreszenz-Mikroskopie und erhielt dafür im vergangenen Jahr einen Nobelpreis.

Horst Hippler (Karlsruhe) ist als Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Sprachrohr für alle deutschen Hochschulen.

Ulrich Höpfner (Heidelberg) berät die Politik zu umweltpolitischen Themen und trug durch sein Wirken zu einer aktiven Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens bei.

Yavuz Kazanc (Stuttgart) setzt sich als Vorsitzender des baden-württembergischen Landesverbands der Islamischen Kulturzentren für erfolgreiche Integration von Muslimen ein.

Erich Klemm (Calw) erreichte als Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Daimler AG unter anderem die Sicherung der deutschen Werke mit rund 160 000 Arbeitsplätzen.

Nicola Leibinger-Kammüller (Gerlingen) steht als Vorsitzende der Geschäftsführung der Firma Trumpf für Partnerschaft zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und engagiert sich vielfältig im sozialen Bereich.

Günther Oettinger (Ditzingen) setzte sich als Ministerpräsident des Landes unter anderem für die Schuldenbremse und als EU-Kommissar für Energiepolitik und Digitalisierung ein.

Marianne Raven (Baden-Baden) engagierte sich als langjährige Geschäftsführerin des Kinderhilfswerks Plan International insbesondere für Mädchenbildung.

Martin Schäfer (Leinfelden-Echterdingen) praktiziert bereits seit 1973 ökologischen Landbau in seinem Betrieb und macht sich für Regionalität, Tierschutz, Umwelt und Nachhaltigkeit stark.

Christoph Sonntag (Stuttgart), bekannter Kabarettist, sorgte dafür, dass der Stuttgarter Max-Eyth-See wieder sauber wurde und kümmert sich mit seiner Stiftung um Kinder und Jugendliche.

Barbara Spehr (Stuttgart) arbeitet seit über 20 Jahren ehrenamtlich im Schlupfwinkel, einer Einrichtung für obdachlose Jugendliche in Stuttgart.

Gertrud Stihler (Karlsruhe) kümmert sich um misshandelte Frauen, betreut ehrenamtlich Flüchtlinge und fördert die Verständigung zwischen Christen und Juden.

Johannes Stockmeier (Pfinztal) prägte als Präsident des Diakonischen Werks das Profil der Freien Wohlfahrtspflege und führte das Diakonische Werk mit dem Evangelischen Entwicklungsdienst zusammen.

Daniel Strauß (Neulußheim) ist Vorsitzender des Verbands Deutscher Sinti und Roma in Baden-Württemberg und setzt sich für Bildung und Teilhabe von Sinti und Roma ein.

Jacek Zieliniewicz (Bydgoszcz, Polen) hat als KZ-Häftling im Lager Dautmergen (Zollernalbkreis) den Holocaust überlebt und leistet Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit.