Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) verteidigte den Plan, die Grundschulempfehlung abzuschaffen, am Mittwoch im Landtag gegen die Kritik von CDU und FDP. Foto: dpa

Eltern sollen künftig selber über weiterführende Schule für ihr Kind entscheiden können.

Stuttgart - Eltern in Baden-Württemberg sollen künftig selber über die weiterführende Schule für ihre Kinder entscheiden können. Grün-Rot will die verpflichtende Grundschulempfehlung abschaffen und den Leistungsdruck der Schüler vermindern. Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) verteidigte den Plan am Mittwoch im Landtag gegen die Kritik von CDU und FDP. Die Empfehlung des Lehrers für eine weiterführende Schule soll nicht gänzlich verschwinden. „Wir werden aber abschaffen, dass die Eltern durch einen staatlichen Verwaltungsakt bevormundet werden und sie sich letztlich einer hoheitlichen Entscheidung beugen müssen“, sagte Warminski-Leitheußer.

Druck auf Eltern sei enorm

Der Notendruck werde sinken, die Lern-Motivation der Kinder steigen. Im Südwesten werden Grundschüler bislang je nach ihrem Notenschnitt in Deutsch und Mathematik der Haupt-/Werkrealschule, der Realschule oder dem Gymnasium zugewiesen. Eltern haben nur die Möglichkeit, ihre Kinder in ein Beratungs- oder Prüfungsverfahren zu schicken; ist dies bestanden, kann die nächsthöhere Schulart besucht werden. „Der Druck, den die Eltern sich auferlegen und der am Ende beim Kind landet, ist enorm“, beschrieb der SPD-Abgeordnete und Schulrektor Klaus Käppeler die Folgen dieses Verfahrens. So versuchten manche Eltern, Lehrer mit Geschenken zu der gewünschten Empfehlung entweder auf die Realschule oder das Gymnasium zu bewegen, um das „Stigma Hauptschule“ zu vermeiden. Ohne die verbindliche Grundschulempfehlung werde mehr Gelassenheit an den Grundschulen einkehren. „Es kommt darauf an, dass wir die Eltern wirklich gut beraten“, sagte die Ministerin.

Für diese Gespräche auf Augenhöhe würden künftig auch Fortbildungen angeboten. Zudem soll die Kooperation zwischen Grund- und weiterführenden Schulen enger werden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft fordert zusätzliche Poolstunden, um Kinder gut begleiten und fördern zu können. Die enge Betrachtung von nur zwei Fächern benachteiligt nach Überzeugung der Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser insbesondere Migrantenkinder mit geringen Deutschkenntnissen: „Dies hat überhaupt nichts mit Begabungsgerechtigkeit zu tun.“ Überdies zeige die Zahl von jährlich 7000 Beratungsverfahren, in deren Folge jede vierte Grundschulempfehlung abgeändert wird, dass die verbindliche Zuweisung nicht das geeignete Instrument der Schulwahl sei. Die FDP-Fraktion warf der Landesregierung einen „Schnellschuss“ aus ideologischen Gründen vor. Alternativen - etwa ein Aufnahmeverfahren bei den weiterführenden Schulen - seien gar nicht erst geprüft worden. Eine falsche Schulwahl könne schlimme Frusterfahrungen für die Kinder zur Folge haben, warnte der Abgeordnete Timm Kern (FDP). Zudem sei noch unklar, wie auf eine mögliche Überlastung bei den Realschulen reagiert werde, meinten Kern und der CDU-Schulexperte Georg Wacker.

CDU befürchtet mehr soziale Selektion

Die CDU-Fraktion befürchtet mit dem Ende der verbindlichen Grundschulempfehlung mehr soziale Selektion, weil Eltern aus bildungsfernen Schichten ihren Kindern nicht zutrauten, sich auf dem Gymnasium zu bewähren. Das Gesetz zur Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung soll am kommenden Dienstag im Kabinett beschlossen werden. Danach geht der Gesetzentwurf in die Anhörung, um dann bis Ende des Jahres dem Landtag zur Entscheidung vorgelegt zu werden. Zum Schuljahr 2012/2013 soll das Gesetz inkraft treten.