Nicht in allem einer Meinung: Fraktionschef Andreas Stoch und die Landesvorsitzende Leni Breymaier in Bruchsal. Foto: dpa

Die baden-württembergische SPD müht sich, ihre Dauermisere hinter zu lassen. Doch ziehen Landesverbandsspitze, Landtagsfraktion und Jusos noch nicht an einem Strang, wie sich beim Landesparteitag in Bruchsal zeigt.

Bruchsal - Nach der Rückkehr von der Intensivstation hat sich die Landes-SPD in die Reha begeben. Allerdings ist sie über die Therapie noch uneins, weshalb völlig unklar ist, ob die Gesundung gelingt.

Denn die SPD wäre nicht die SPD, wenn der Erneuerungsprozess nicht von Verwerfungen geprägt wäre. Die Jusos hätten das Recht zu sagen, dass es ihnen nicht schnell genug gehe, reagiert Landeschefin Leni Breymaier zu Beginn des Landesparteitags in Bruchsal auf eine Generalkritik der Jugendorganisation. Sie fügt aber hinzu: „Wir sind komplett im Zeitplan. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“

Doch die Jusos bleiben dabei: „Erneuerung braucht Orientierung, und wir können uns keine Orientierungslosigkeit mehr leisten“, hält ihr Vorsitzender Leon Hahn dagegen. „Wir sollten wenigstens wissen, wo das Gras ausgesät ist.“ Hahn will offen über Inhalte streiten und klarer Prioritäten setzen. „Die SPD in Baden-Württemberg stagniert – die Menschen erkennen noch nicht, wo wir mit diesem Land hin wollen“, legt er am Rande des Parteitags gegenüber unserer Zeitung nach. „Dies ist nach zwei Jahren Erneuerung zu wenig.“

Antrag zum bezahlbaren Wohnen sorgt für Zündstoff

Als Munition dient in Bruchsal ein Antrag von Landtagsfraktion, Jusos und der Gemeinschaft der Kommunalpolitiker zum „bezahlbaren Wohnraum“, den der Schwäbisch Haller Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim als „Schulterschluss an wichtiger Stelle“ würdigt. Aus Sicht der Initiatoren soll der (letztendlich einhellig verabschiedete) Antrag diverse Aktivitäten der Partei auslösen und bis zur Kommunalwahl 2019 ihr Profil schärfen. Vor gut einer Woche ist er erstmals öffentlich präsentiert worden, freilich unzureichend abgestimmt mit der Landesverbandsspitze – was Leni Breymaier wenig erfreut hat. Denn erstens handelt es sich um einen Wiederholungsfall, und zweitens sollte nach ihren Vorstellungen in Bruchsal vor allem der Leitantrag zur Digitalisierung diskutiert werden.

Bis zum Sommer sollen sechs Arbeitsgruppen Vorlagen für den Erneuerungsprozess erarbeiten. Doch die junge Riege um Leon Hahn und Landesvize Frederick Brütting mag nicht länger auf Impulse von der Landesführung warten. „Wir müssen aufhören, uns so viel um uns selbst zu drehen und die Menschen überzeugen, dass wir die besseren Ideen haben“, mahnt Hahn. Es wird wohl nicht der letzte Vorstoß gewesen sein, zumal Fraktionschef Andreas Stoch Schützenhilfe liefert, der seinerseits mehr inhaltliche Initiativen fordert: „Wir müssen da ansetzen, wo die Ängste der Menschen sind und aus der Sicht des ganz normalen Bürgers auf die Realität blicken“, sagt er. Den Vorwurf der Orientierungslosigkeit teilt Stoch nicht; er wirbt aber bei der Landesspitze darum, nicht jeden Antrag als Kräftemessen zu werten.

„Gegnerschaft künstlich inszeniert“

Leni Breymaier klagt offen, dass „eine Gegnerschaft zur Landesspitze künstlich inszeniert wird“. Inhaltlich sei man sich „weitgehend einig“. Trotzdem ist das Misstrauen groß. Unverkennbar zielen selbst inhaltliche Vorstöße auf das Führungspersonal – genauer auf Generalsekretärin Luisa Boos, die auch infolge alter Rivalitäten weiterhin zwiespältige Urteile auslöst.

Die SPD kommt somit nur schwer auf die Füße, obwohl es doch zum rascheren Erholungsprozess beitragen müsste, dass auch die politische Konkurrenz angeschlagen ist: Das Ringen der Regierung um das Landtagswahlrecht inklusive des Fehlschlags bei der Wahl von Sabine Kurtz (CDU) zur Landtagsvizepräsidentin hat eigentlich eine schöne Vorlage geliefert. Doch prompt kommt bei einigen Genossen der Wunsch hoch, mit CDU und FDP eine „Deutschlandland-Koalition“ zu bilden, wenn Schwarz-Grün auseinanderbrechen sollte. Stoch hat diese Option – auch in Erinnerung an die fatale Ausschließeritis des damaligen Parteichefs Martin Schulz – für die SPD nicht gleich ausgeschlossen.

„Herumschwadroniererei“ über Schwarz-Rot-Gelb

Breymaier hält dies für falsch und sieht die große Mehrheit hinter sich. Also versucht sie, die Debatte abzuräumen: „Wir sind nicht der Reparaturbetrieb für die CDU“, verurteilt sie die „Herumschwadroniererei“ über Schwarz-Rot-Gelb und ergänzt: „Andreas Stoch und ich sind uns ganz einig in der Frage – wir drücken uns nur anders aus.“ Über diesen Satz lacht sie so herzhaft, dass sie kaum weiterreden kann. Immerhin: Lachen soll gesund sein.