FDP-Landeschef Michael Theurer (Mitte) mit dem Fraktionsvorsitzenden Hans-Ulrich Rülke und Generalsekretärin Judith Skudelny beim Parteitag in Fellbach Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Beim Landesparteitag geben die Liberalen ihrer Führung Zunder beim Thema Technologieoffenheit. Dann bereitet die Partei Landeschef Theurer beim Klimaschutz eine strategische Niederlage.

Fellbach - Der FDP-Chef Michael Theurer ging mit der festen Absicht in den 120. Landesparteitag, der FDP ein stärkeres klimapolitisches Profil zu verleihen. Aber dann kam manches anders als erwartet, und er kassierte überraschend einen harten politischen Dämpfer. „Ich frage mich hier die ganze Zeit, was darf Satire?“, mit der Frage poltert ein Delegierter beim FDP-Landesparteitag besonders temperamentvoll gegen einen Aspekt, der sich durch die Reden des Landesvorsitzenden Michael Theurer, des Fraktionsvorsitzenden Hans Ulrich Rülke und durch den Leitantrag zieht. Es geht nicht, was die polemische Frage vielleicht nahelegt, um das Umweltsau-Lied über Omas mit angeblich mangelndem umwelt- und klimabewussten Verhalten im WDR und die sich daran anschließende Debatte. Es geht um Technologieoffenheit und Klimaschutz im Allgemeinen und die Konkurrenz zwischen Elektromobilität und Wasserstofftechnologie im Speziellen.

Technologieoffenheit als Wert gehört zum Traditionsbestand der Liberalen. Den Klimaschutz sucht Südwest-FDP-Chef offensiv als Thema für die Liberalen zu besetzen. Theurer und Rülke machen der Landes- und der Bundesregierung den Vorwurf, sich einseitig und zulasten der Arbeitsplätze am hiesigen Auto- und Wirtschaftsstandort auf Elektroautos festgelegt zu haben. Mit ihrem Plädoyer für die Wasserstofftechnologie sind die beiden Spitzenliberalen und die Verfasser des Leitantrags aber offenbar über das Ziel hinausgeschossen. Sie müssen in der Schwabenlandhalle in Fellbach jedenfalls ungewohnt viel Widerspruch einstecken.

Viele Redner fühlen sich beim Thema Technologieoffenheit veräppelt

Dass hier Technologieoffenheit beschworen werde, und in einer von der Landtagsfraktion erarbeiteten und in Fellbach ausgelegten Broschüre mit dem Titel „Die Batteriemobilität ist ein Irrweg!“ ausschließlich gegen die batteriebetriebenen Elektroautos und für die Wasserstofftechnologie vorgebracht wurden, erschien dem Kritiker wie Hohn. Der Delegierte blieb mit seiner Kritik nicht allein. Dass die Lithium-Ionen-Technologie einen Siegeszug in der Welt angetreten habe, liege nicht am Beschluss einer Regierung, sondern daran, dass solche Batterien in jedem Handy benötigt würden, moniere ein weiterer Liberaler. „Die Wasserstofftechnologie muss erst noch beweisen, dass sie diese Reife erreichen kann – wir dürfen als Liberale nun nicht den gleichen Fehler machen und einseitig werden.“ Immerhin wetterte Rülke am Abend mit mehreren Gegenreden mehrere Anträge ab, die„die politische Fokussierung auf die batterieelektrische Mobilität als Irrweg“ aus dem Leitantrag streichen wollte.

Debatten bescheren Theurer eine Niederlage

Aber die lange Debatte war, wie sich zwei Stunden später zeigt, nur ein Vorspiel. Denn beim strategisch wichtigen Klimaschutzantrag von Landeschef Michael Theurer zerschießt der Kreisverband Kurpfalz in Gestalt der Leimener Bürgermeistern Claudia Velden, das ehrgeizige Projekt Theurers, die FDP konsequenter auf den Klimaschutz auszurichten. Dass im Text ausdrücklich vorgeschlagen wurde, die „Soziale Marktwirtschaft zur Ökologischen Marktwirtschaft weiterzuentwickeln“, ging den Delegierten mehrheitlich zu weit. „Ich kann nur warnen, wem wir hier Tür und Tor öffnen“, erklärte Velden und warnte vor der Gefahr, dass solche Thesen missbraucht werden könnten. Bei den vielen Forderungen der Klimaschützer, dass die Menschen auf Fleischverzehr oder das Autofahren oder das Fliegen verzichten sollten, so argumentierte sie, „geht es um Freiheitsthemen, deshalb müssen wir wachsam sein“. Daraufhin wurden 67 von 87 Zeilen von Theurers Antrag mit deutlicher Mehrheit ersatzlos gestrichen. Spätestens als ein Redner anschließend sagte, es mache keinen Spaß „über den Kadaver zu sprechen, der jetzt noch übrig ist“, war klar, dass der Antrag komplett zurückgezogen werden musste.

Der 120. Landesparteitag der Landes-FDP, der eigentlich nur ein klassischer Arbeitsparteitag werden sollte, erteilte Theurer einen echten Dämpfer. Dabei war der in seiner Eröffnungsrede schon diskret ein wenig zurückgerudert. Im Gegensatz zu den Interviews im Vorfeld des Treffens hielt Theurer mit erkennbarer Sympathie für bestimmte Koalitionsmodelle hinter dem Berg. „Egal, in welche Regierung wir eintreten: Es muss eine Reformkoalition sein“, sagte er mit betonter Offenheit in Bündnisfragen.

Liberale rüsten sich für die härtesten Wahlkämpfe seit dem Zweiten Weltkrieg

Theurer erwartet im Blick auf die Landtags- und die Bundestagswahl 2021 „die härtesten Wahlkämpfe, die man wahrscheinlich je in Deutschland erlebt habe“. Bei Meinungsumfragen von um die neun Prozent im Südwesten und der starken Verankerung der Liberalen in den Gemeinden mit mehr als 830 Mandatsträgern sei die Landes-FDP dafür gut aufgestellt. Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke ist vom Landesvorstand bereits als Spitzenkandidat vorgeschlagen. Endgültig entscheidet das ein Sonderparteitag im Juni, der auch das Wahlprogramm der FDP verabschiedet. Dann wird es für die FDP wieder ernst.