Nicht abwarten und Tee trinken, selbst die Initiative ergreifen, ist das Motto von Volker Engelberth. Foto: Felix Groteloh

Der Pianist Volker Engelberth (33) ist der diesjährige Jazzpreisträger des Landes Baden-Württemberg. Bei der Verabredung an der Musikhochschule Stuttgart, wo er als Lehrbeauftragter im Fach Jazzklavier tätig ist, wirkt er wach, präsent und entspannt – und erweist er sich als reflektierter, präzis formulierender Gesprächspartner.

Stuttgart -

Herr Engelberth, Gratulation zum Preis – wie sind Sie denn zum Jazz gekommen?
Durch das künstlerisch ausgerichtete Gymnasium, in dem ein sehr umtriebiger Musiklehrer, selbst Pianist, bei mir die Liebe zum Jazz geweckt hat.
Wie ging es nach der Schule weiter?
Von 2004 an studierte ich fünf Jahre Jazz-Piano bei Professor Joerg Reiter in Mannheim, erhielt darüber hinaus Unterricht von John Taylor in Köln, spielte im Landesjugendjazzorchester NRW und war von 2005 bis 2008 Mitglied im Bundesjazzorchester unter Leitung von Peter Herbolzheimer. Ich gründete ein eigenes Trio, trat im Duo mit Kontrabassist Thomas Stabenow auf und erhielt 2011 ein Stipendium der Kunststiftung Baden-Württemberg.
Leider haben Sie innerhalb kurzer Zeit zwei musikalische Lehrer verloren. Joerg Reiter starb am 2. Juli 2015 in Mannheim, John Taylor erlag zwei Wochen später auf der Bühne einem Herzinfarkt.
Ein doppelter Schock. Joerg verdanke ich sehr viel, er hat bei mir für eine solide Basis gesorgt und mir einige Türen geöffnet. An dem Abend vor seinem Tod saßen wir gemütlich in der Alten Feuerwache zusammen, wo auch mein Preisträgerkonzert stattgefunden hat, und haben ein schönes Gespräch geführt. Der andere, der mich entscheidend geprägt hat, war der britische Jazzpianist John Taylor, auch er eine richtungsweisende Vaterfigur.
Welche andere Jazzpianisten empfinden Sie als besonders wichtig für Ihre Kompositionen und Ihr Klavierspiel?
Thelonius Monk, Herbie Hancock und Brad Mehldau. Ganz toll finde ich auch Pablo Held, den jungen deutschen Jazzpianisten, der dabei ist, international Karriere zu machen.
Auf Ihrem aktuellen Album findet sich unter anderen Eigenkompositionen ein Nocturne. Sind Sie ein verkappter Jazz-Romantiker auf den Spuren von Chopin oder Debussy?
Das Stück sollte ein schlichtes und eingängiges Thema haben, das sozusagen hin- und her wabert. Es ist ein Schlaflied ohne großartiges Solo. Das krasseste Gegenstück auf der Platte ist die Titelnummer „Jigsaw Puzzles“, dessen Harmonien schroffer sind und das aus einzelnen Versatzstücken und melodischen Teilen zusammengepuzzelt ist. So als ob die Teile noch gar nicht zusammengefügt wären. Mir geht es beim Komponieren darum, meine eigene harmonische Sprache zu etablieren, eigene Akkordfarben zu entwickeln. Bei dem Stück „Crystal Moonbeams“ etwa gibt es einen Akkordtyp, über dem sich das Thema wie Strahlen entfaltet.
Sie bewegen sich als Jazzmusiker im Kraftfeld von Tradition und Innovation.
Ich würde mich als extrem traditionsbewusst bezeichnen, ich lerne und spiele gern Jazz-Standards und überprüfe, wovon sich Musiker, die mich beeinflussen, selbst einmal beeinflussen ließen.
Wie würden Sie Ihre Arbeit mit Ihren Studenten an der Stuttgarter Musikhochschule beschreiben?
Da ist einerseits ein Ensemble, das sich dieses Jahr mit dem Jazz von John Taylor beschäftigt, dem Unsung Hero, dem stillen, mich sehr inspirierenden Helden. Zum anderen habe ich hier sechs begabte Klavierschüler.
Wie bereiten Sie die Studenten auf die Schwierigkeiten vor, die der musikalische Markt für sie nach dem Bachelor oder Master bereithält – auf ihren Sprung ins kalte Wasser?
Sie erfahren sehr früh, dass ein breites Netzwerk unerlässlich ist, dass sie eigene Projekte machen, Stücke schreiben und sich künstlerisch nicht nur verkriechen sollen in diesem immer noch verschulten Studiengang wie in einem gemachten Nest. Es sollte auf keinen Fall zu „Malen nach Zahlen“ führen. In Stuttgart haben wir die glückliche Situation mit kleineren Spielstätten und vor allem den beiden Clubs, dem Bix und der Kiste, wo sie sich ausprobieren und früh Erfahrungen mit öffentlichen Auftritten sammeln können.
Sandi Kuhn, der Preisträger von 2013, ist auch Dozent an der Hochschule, er spielt Saxofon in Ihrem Quintett und Sie in seinem Quartett. Geht das gut?
Ja, ich könnte es mir nicht besser vorstellen. Wir sind sehr gut befreundet wie alle in meinem Quintett. Auch unser Trompeter Bastian Stein ist hier Dozent. Es sind lauter fantastische Musiker und unglaublich nette Menschen. Das beflügelt uns natürlich.
Was wollen Sie mit Ihrem Preisgeld von 15 000 Euro anfangen?
Die übliche Antwort heißt: Es ist schon längst weg. (lacht) Gewisse musikalische Projekte sind damit finanzierbar. Es gibt jetzt nach dem Preis viele Konzert und nächstes Jahr ein Folgealbum.