Der neue Haushalt ist für Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne, rechts) und seinen Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) der Beweis für das gute Funktionieren der Koalition. Foto: dpa

Mit den Steuermilliarden ist der grün-schwarzen Koalition der Sinn für das weniger Wichtige verloren gegangen, kommentiert unser Redakteur Arnold Rieger.

Stuttgart - Baden-Württemberg gehe es heute so gut wie selten zuvor, sagt Ministerpräsident Kretschmann – und niemand kann ihm da widersprechen. Die wirtschaftlichen Kennzahlen sind prächtig, auch das Tüfteln haben die Schwaben noch nicht verlernt, und der soziale Zusammenhalt ist entgegen allen Unkenrufen und gemessen an anderen Weltregionen vorbildlich. Froher kann eine Botschaft zum Weihnachtsfest also eigentlich nicht ausfallen. Muss man da – wie die Opposition – nach Haaren in der Suppe suchen?

Wohnraumförderung ein Nasenwasser

Es gibt sie büschelweise. Denn Grün-Schwarz hat zwar viel Geld zur Verfügung, verteilt es aber mit der Gießkanne, ohne die dürren Landstriche gezielt zu bewässern. Der Wohnungsbau zum Beispiel hätte dies bitter nötig. Dass sich Geringverdiener in Städten keine Bleibe leisten können, gehört zu den dringlichsten Problemen überhaupt. Gemessen daran ist die Wohnraumförderung des Landes ein Nasenwasser. Ein ganz großer Aufschlag wäre auch in der Intergrationspolitik notwendig, denn es fehlt an Sprachkursen, Betreuungs- und Arbeitsplätzen. Bei vielen jungen Flüchtlingen wächst der Frust – und damit das Konfliktpotenzial für die Gesellschaft. Aber auch bildungspolitisch mangelt es an Prioritäten: Angesichts der miserablen Noten bei den Vergleichsstudien sind die Reparaturmaßnahmen viel zu lasch.

Jeder bekommt etwas ab

Nicht, dass Grün-Schwarz die Zügel schleifen ließe. In viele wichtige Aufgaben wie die Digitalisierung investiert sie zurecht viel Geld. Doch anstatt sich auf einige Leutturmprojekt zu beschränken, bekommt jeder etwas ab, der den Finger hebt. Mit den Steuermilliarden ist der Koalition der Sinn für das weniger Wichtige verloren gegangen. Das aber war noch nie ein guter Leitspruch: Allen wohl und niemand weh.

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