Stuttgart, Pragfriedhof: Hier und auf 41 anderen Friedhöfen hat die Stadt teilweise enormen Aufwand – jetzt will sie das Defizit verringern. Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Am 1. Mai steigen die Gebühren auf den 42 Friedhöfen in Stuttgart. Die Stadt will die Kostendeckung für das Friedhofswesen verbessern. Beim Sozialverband VdK ruft das Protest hervor.

Stuttgart - Bei Todesfällen werden die Angehörigen in Stuttgart von 1. Mai an kräftiger zur Kasse gebeten als bisher. Die Stadt erhöht in vielen Bereichen die Gebühren und Bearbeitungsentgelte, bei Urnenbeisetzungen sogar um rund 40  Prozent, bei Erdbestattungen um etwa 17 Prozent. Dieses Ausmaß der Anhebung ruft jetzt den Sozialverband VdK auf den Plan. „Steigerungsraten von bis zu 40 Prozent sind ein unerhörter Vorgang“, moniert Carin E. Hinsinger, VdK-Kreisvorsitzende in Stuttgart und VdK-Vizepräsidentin im Bund.

Die Stadt will ihre Einnahmen um rund 100 000 Euro pro Monat steigern, um 1,2 Millionen Euro im Jahr. Die einzelnen Erhöhungen schwanken je nach Dienstleistung um drei bis gut 40 Prozent. Das Ausgraben von Verstorbenen oder Gebeinen verteuert sich sogar um bis zu 50 Prozent.

Das Friedhofswesen kostet die Stadt viel Geld, und der Aufwand wurde bisher maximal zu etwa 70 Prozent durch Einnahmen wett gemacht. Nun soll der Kostendeckungsgrad bis Ende 2017 unterm Strich auf 73 Prozent angehoben werden. Speziell bei den Urnenbeisetzungen möchte die Stadt von 66 Prozent im Jahr 2015 auf etwa 79 Prozent kommen, bei den Erdbestattungen von 94 möglichst auf 100 Prozent. Die Gebühr für Feierhallen will sie unverändert lassen, damit die Nutzung nicht weiter abnimmt. Bei Feierräumen, für die sie bereits 298 Euro berechnet, konkurriert die Stadt mit privaten Bestattungsunternehmen.

Provisionen für private Bestatter

Damit das Krematorium im Pragfriedhof sie nicht noch teurer zu stehen kommt durch geringere Nutzung, will die Stadt die seit Jahren üblichen Provisionen von je 60 bis 80 Euro für private Bestattungsdienste beibehalten, wenn sie das Stuttgarter Krematorium anfahren. Betreiber privater Krematorien im Umland würden auch mit solchen Anreizen arbeiten, heißt es.

Zur Korrektur der Gebühren sah sich das Garten-, Friedhofs- und Forstamt veranlasst, weil die Einnahmen 2014 und 2015 zurückgegangen waren: um 1,8 beziehungsweise 1,3 Millionen Euro. Aufbahrungsräume und Feierhallen auf den Friedhöfen seien weniger genutzt worden, teilte das Technische Referat den Stadträten mit, bei Urnenbeisetzungen fanden jetzt seltener Trauerfeiern statt. Auf den Kosten für das Abräumen von Gräbern bleibt die Stadt oft sitzen. In etwa einem Drittel der Fälle seien die Zahlungspflichtigen nicht zu ermitteln oder auch schon verstorben.

Die Gesamtkosten fürs Friedhofwesen mit 42 Friedhöfen in Stuttgart sind enorm, dennoch nimmt Stuttgarts Verwaltung für sich in Anspruch, dass sie „gut wirtschaftet“. Ein Vergleich ist allerdings schwierig. Die Ansätze der Kommunen bei der Ermittlung der gebührenrelevanten Kosten seien unterschiedlich, gab das Technische Referat zu. In vielen Fällen von Gebühren sei man aber ein paar 100 Euro günstiger als andere Städte, auch im Umland, sagte Technikbürgermeister Dirk Thürnau (SPD) im Rathaus vor dem Gemeinderatsbeschluss zur Gebührenerhöhung.

Ältere Stuttgarter müssen genau auf die Rente schauen

Carin E. Hinsinger vom VdK hält den schon beschlossenen Plan für unzumutbar, wenn sie an die Situation der Mitglieder und der Ratsuchenden beim VdK denkt. Hinsinger besucht regelmäßig die 27 Ortsvereine in den Stuttgarter Stadtteilen und trifft dort oft Menschen in den Altersgruppen 60 bis 90 Jahren. Die zählen meist nicht zu den betuchtesten Stuttgartern, sondern müssen genau auf ihre Rente schauen – wie die Ratsuchenden, die sich vom VdK angesichts sehr komplexer Themen wie Pflegeversicherung und Rentenangelegenheiten Tipps versprechen.

Oft sei in den Gespräche auch ein Thema, wie man für den eigenen Tod vorsorgt und die letzten Dinge regelt, sagt Hinsinger. Viele wollen die Angehörigen vor Kosten für die Beerdigung verschonen, aber auch sicherstellen, dass sie beigesetzt werden, wie sie es sich wünschen. „Eine letzte Ruhestätte im Friedwald kommt für viele nicht in Frage“, sagt Hinsinger, denn sie wollten, dass Freunde, Bekannte und Angehörige ihr Grab besuchen. Dafür versuchten sie, selbst von knappen Renten monatlich noch ein wenig zurückzulegen für die eigene Beerdigung. Hinsinger: „Für diese Menschen sind Gebührenerhöhungen um 20 Prozent bei den Erdbestattungen oder 40 Prozent bei den Urnengräbern ein Fiasko.“ Möglicherweise werde der VdK dagegen auch noch schriftlich im Rathaus protestieren.

Teils enorme Preissteigerungen

Gebühren Die Erdbestattungen gehören zu den Leistungen, die sich verteuern: Bei 1,80 Meter langen Grabstellen sind jetzt 179 Euro mehr und damit 1189 Euro fällig. Bei 2,40 Meter langen Gräbern ergibt sich eine Gebühr von je 1308 Euro (plus 198 Euro). Bei den Urnenbeisetzungen fällt die Preiserhöhung noch kräftiger aus. Bei der Urnenbeisetzung von Erwachsenen und Kindern über zehn Jahren nach einer Feuerbestattungsfeier mit Sarg steht jetzt eine Verteuerung um 115 auf 390 Euro bevor. Vor zwei Jahren wären hier 603 Trauerhaushalte betroffen gewesen. Am häufigsten kam 2015 mit 1822 Fällen die Urnenbeisetzung von Verstorbenen über zehn Jahren ohne Trauerfeier vor. Die Gebühr dafür steigt um 75 Euro (41,9 Prozent) auf 254 Euro, die Gebühr für Urnenbeisetzungen nach einer Trauerfeier um 95 Euro (41,85 Prozent) auf 322 Euro.

Nutzungsrechte Für ein Wahlgrab über 20 Jahre sind 80 Euro mehr zu bezahlen: 2040 Euro. Beim Urnenwahlgrab sind es für 20 Jahre 1800 Euro – ein Plus von 60 Euro. Mit Reihengräbern, bei denen es sich um kleinere Einzelgräber mit einer Ruhezeit von 20 Jahren handelt, sind im Fall von Erwachsenen und älteren Kindern Kosten von 940 Euro (Erdbestattungen) oder 700 Euro (Urnenbeisetzungen) verbunden. Für die Einäscherung inklusive Verwaltungsgebühr verlangt die Stadt 421 Euro, bisher war es mit 358 Euro deutlich weniger. (jos)