Welche Rolle spielten ehemalige NSDAP-Mitglieder in den südwestdeutschen Landtagen der Nachkriegszeit? Aufschluss soll eine Historiker-Kommission geben.
Vor zehn Jahren bekundete der damalige Landtagspräsident Guido Wolf (CDU) seine Aufgeschlossenheit für die Idee, die NS-Vergangenheit der Nachkriegsparlamentarier in Baden-Württemberg aufzuarbeiten. Historiker hatten den Anstoß gegeben. Wolf wollte allerdings zunächst das Gedenkbuch für jene südwestdeutschen Abgeordneten der Weimarer Vorzeit überarbeiten lassen, die von den Nationalsozialisten verfolgt worden waren. Manche kamen zu Tode. Dieses Gedenkbuch liegt inzwischen in den Katakomben des Landtagsgebäudes aus.
Eine Untersuchung zur NS-Vergangenheit der Nachkriegsabgeordneten indes gibt es immer noch nicht, anders als etwa in Hessen, Niedersachsen oder Bremen.
In Hessen zeigte sich zum Beispiel, dass fast ein Viertel der Nachkriegsabgeordneten ehemalige NSDAP-Mitglieder waren. Im Namen der überparteilichen Landesarbeitsgemeinschaft „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ haben sich jetzt der frühere Landtagsvizepräsident Alfred Geisel und die ehemalige Abgeordnete Birgit Kipfer (beide SPD) an Parlamentspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) gewandt mit der Bitte, den Vorschlag aufzunehmen. „Wir sind der Überzeugung, dass eine solche Dokumentation zusammen mit dem vorhandenen Gedenkbuch einen wichtigen Beitrag zur wechselvollen Geschichte des demokratischen Parlamentarismus im deutschen Südwesten darstellen würde.“ In dem Schreiben an Aras wird Bezug genommen auf den früheren Heidelberger Oberbürgermeisters Carl Neinhaus, der als Präsident der Verfassungsgebenden Landesversammlung und danach als Präsident des Landtags zu Ehren gekommen war. Erst in jüngerer Zeit wird problematisiert, dass Neinhaus sein noch in der Weimarer Republik erlangtes Oberbürgermeisteramt mit dem im Mai 1933 erfolgten Eintritt in die NSDAP während der gesamten NS-Zeit behielt. Der Heidelberger Historiker Frank Engehausen beschreibt Neinhaus in einem Gutachten als politischen Opportunisten.
Auch die CDU-Fraktion macht mit
Unterstützung findet die Initiative bei der SPD-Landtagsfraktion und deren Vizevorsitzender Dorothea Kliche-Behnke, die sich in der jüngsten Sitzung des Landtagspräsidiums an Aras wandte. „Wir können keine starke Demokratie sein, wenn wir uns nicht mit unserer Geschichte beschäftigen“, sagt sie. Es gehe nicht um Skandalisierung, sondern darum, Kontinuitäten offenzulegen. Auch CDU-Fraktionschef Manuel Hagel befördert das Projekt. Aus seiner Sicht könne „gerade in der heutigen Zeit der deutschen Geschichte nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt werden“, ließ er Landtagspräsidentin Aras brieflich wissen.
Im Landtagspräsidium gab es indes noch keine Entscheidung. Aus den Fraktionen verlautet, Parlamentspräsidentin Aras tue sich schwer, weil sie auf dem Gebiet der Erinnerungspolitik keine Konkurrenz dulde. Ihr Sprecher allerdings lässt wissen, die Präsidentin führe „seit geraumer Zeit Gespräche mit den Fraktionen“. Einen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit werde es keinesfalls geben. Ein Beschlussvorschlag zur Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Abgeordneten werde dem Präsidium noch in diesem Jahr vorgelegt.