Mit einem reformierten Landeserziehungsgeld will die Grün-Rote-Landesregierung künftig ärmere Familien mit Kindern bis zu einem Alter von 13 Monaten besonders unterstützen. Foto: dpa

Grün-Rot streicht das Landeserziehungsgeld zusammen. CDU und Kirchen kritisieren das.

Stuttgart - Der Rotstift war schon häufiger gezückt worden. Letztlich traute sich Schwar-Gelb an die heilige Kuh Landeserziehungsgeld aber doch nicht heran. Grün-Rot ist weniger zimperlich und streicht das Landeserziehungsgeld zusammen. Postwendend gibt es Widerspruch.

Kirchen, Sozialverbände und CDU stemmen sich gegen die von Grün-Rot geplante Kürzung des Landeserziehungsgelds. Die Schere zwischen Arm und Reich könne sich dadurch weiter öffnen, warnen die katholische und evangelische Kirche. Zwar sei es richtig, mehr Geld für den Ausbau der Kinderkrippen auszugeben, aber: "Ich finde es aber schwierig, dies auf Kosten des Landeserziehungsgelds zu machen", sagte Oberkirchenrat Christoph Schneider-Harpprecht von der Evangelischen Landeskirche in Baden.

Grüne und SPD hatten sich bei den Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, den Zuschuss umzuwidmen. Die eine Hälfte soll in den Ausbau der Betreuung für Unter-Dreijährige investiert werden. Die andere Hälfte ist für Eltern in Hartz IV vorgesehen, die kein Bundeselterngeld mehr bekommen. Bisher hatte das Land bedürftige Eltern mit dem Zuschuss unterstützt, wenn das Elterngeld des Bundes auslief.

Auch Bayern, Sachsen und Thüringen zahlen Erziehungsgeld

Im Koalitionsvertrag heißt es nun: "Mit einem reformierten Landeserziehungsgeld wollen wir ärmere Familien mit Kindern bis zu einem Alter von 13 Monaten besonders unterstützen." Nach dpa-Informationen könnte die Reform aus Gründen des Vertrauensschutzes für die Eltern allerdings erst ab 1. Januar 2012 wirksam werden.

Joachim Drumm von der Diözese Rottenburg-Stuttgart ist gleichwohl alarmiert. "Die starke Eingrenzung des Empfängerkreises vergrößert die Schere zwischen Arm und Reich, besonders im Hinblick auf Familien mit geringem Einkommen", warnt der Ordinariatsrat. Es sei falsch, den Krippenausbau gegen die Unterstützung auszuspielen. "Das Landeserziehungsgeld hat sich bewährt als Armutsprävention." Die katholische Kirche hofft, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist: "Wir werden jede Möglichkeit nutzen, hier mitzugestalten."

Die zehnmonatige Landeshilfe beträgt bisher bis zu 205 Euro monatlich für das erste und zweite Kind und vom dritten Kind an bis zu 240 Euro monatlich. Für den Doppelhaushalt 2010/2011 hatte die abgelöste CDU-FDP-Regierung mit Kosten von etwa 50 Millionen Euro pro Jahr kalkuliert. Neben Baden-Württemberg zahlen Bayern, Sachsen und Thüringen Erziehungsgeld.

Niedrigverdiener als Verlierer der Reform

Niedrigverdiener als Verlierer der Reform

CDU-Fraktionschef Peter Hauk kritisierte den grün-roten Kurs. Die Studiengebühren würden abgeschafft, obwohl diese von vielen Absolventen später zurückbezahlt werden könnten, sagte Hauk. "Die Kindergartengebühren bleiben und das Landeserziehungsgeld wird abgeschafft. Das ist grün-rote Sozialpolitik: Alle sozial Schwachen werden abgezockt."

Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) wies die Kritik als "scheinheilig" zurück. "Es waren die Abgeordneten von CDU und FDP aus Baden-Württemberg, die mit ihrer Stimme im Bundestag die Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Bezieher beschlossen haben", sagte Altpeter. Darunter litten gerade die armutsgefährdeten Familien am meisten. Es sei allerdings ein "Wermutstropfen", dass das Landeserziehungsgeld nicht in vollem Umfang erhalten bleiben könne. Dies sei jedoch auf die "desolate Haushaltssituation" zurückzuführen, die die alte Regierung hinterlassen habe.

Oberkirchenrat Schneider-Harpprecht sieht Niedrigverdiener als Verlierer der Reform: "Die Armen sind sozusagen nur noch die Hartz-IV-Empfänger. Eltern, die knapp dahinter liegen, sind die Gekniffenen." Die Koalition müsse nun zumindest dafür sorgen, dass ärmere Eltern einen beitragsfreien Platz in der Kita bekommen.

Aufforderung an Grün-Rot, die Reform zu überdenken

Der Oberkirchenrat betonte, die evangelische Kirche sei nicht gegen den Kita-Ausbau - im Gegenteil, sie baue ihre Einrichtungen selbst massiv aus. "Die Kirche argumentiert hier unideologisch: Wir verstehen das Landeserziehungsgeld nicht als Herdprämie." Er forderte Grün-Rot auf, die Reform zu überdenken: "Ich stelle die Frage: Hat die Landesregierung bedacht, ob der Anreiz bleibt, um genügend Kinder zu haben." Auch die Gefahr, dass Familien unter die Armutsgrenze rutschen, müsse man im Auge behalten.

Hildegard Maur von der Caritas in Freiburg befürchtet, dass besonders sogenannte Aufstocker, die wegen ihres niedrigen Einkommens zusätzlich Hartz IV erhalten, Teilzeitbeschäftigte und Alleinerziehende unter der Kürzung leiden. "Das ist der Personenkreis, der mit jedem Cent rechnen muss." Sie kann noch gar nicht glauben, dass Grün-Rot diesen Schritt gehen will. "Das wäre für uns sicherlich eine Enttäuschung." Es sei auch ein falsches Signal - "gerade in Zeiten, in denen man sieht, dass der Aufschwung nicht bei allen ankommt".