Am Mittwoch, 20.01.2009 erklärten die Vorsitzende Christiane Staab sowie die 1. Stellvertretende Vorsitzende Sylvia Wiegert des Landeselterneirats Baden-Württemberg gegenüber ihrem Gremium und dem Kultusministerium, dass sie ihre Vorstandsämter im März zur Verfügung stellen werden.

Stuttgart - Am Mittwoch, 20.01.2009 erklärten die Vorsitzende Christiane Staab sowie die 1. Stellvertretende Vorsitzende Sylvia Wiegert des Landeselterneirats Baden-Württemberg gegenüber ihrem Gremium und dem Kultusministerium, dass sie ihre Vorstandsämter im März zur Verfügung stellen werden.

Auslöser hierfür sind unter anderem die Äußerungen des Finanzministers über den aus seiner Sicht sehr guten Zustand der Bildung und die Möglichkeit, im Bereich Schule zu Gunsten anderer Bereiche einzusparen. Die Grundschularithmetik von Herrn Stächele, 96.000 Lehrer bei ca. 1,4 Millionen Schülern bedeute eine Lehrerversorgung von 1 Lehrkraft auf rund 16 Schüler und das sei doch ausreichend, löste Entsetzen beim gesamten Landeseltenbeirat aus.

Von einer Regierung ist zu erwarten, dass sie feststellt, wieso es in der Praxis eben ganz anders aussieht und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die schlechte Unterrichtssituation zu verbessern. Die Realitätsferne von Teilen der Landesregierung und der CDU-Spitze ist erschreckend. Die Haltung, Schule und Bildung als Steinbruch zu betrachten, der nach gusto geplündert werden kann, wird uns im globalen Kampf um die besten geistigen Ressourcen weiter zurückwerfen. Gerade wenn es immer weniger Kinder gibt, dann müssen alle Kräfte in diesem Land besonders darauf achten, dass jedes dieser Kinder bestmöglich gefördert und unterstützt wird.

Der Begriff „Kinderland“ erscheint immer mehr als Bezeichnung für eine Politik, in der es nicht mehr um die Förderung des Kindeswohls geht, sondern nur noch um ein Etikett. Dieser Zynismus gipfelt in der Tatsache, dass dem Land Sachsen eine marode Landesbank abgekauft wird, aber nicht einmal 15 Cent am Tag für einen Apfel für jedes Grundschulkind im Rahmen des EU-Schulobstprogramms zur Verfügung stehen. Seit Jahren unterbreitet der Landeselternbeirat dem Kultusministerium Vorschläge zur Verbesserung der Bildungssituation der Kinder in Baden-Württemberg.

Zunehmend entsteht der Eindruck, dass der Landeselternbeirat nur noch der Form halber angehört wird, aber keinerlei Wert mehr auf die inhaltliche Arbeit gelegt wird. Der politische Wille, endlich systematisch den Bildungsbereich zu evaluieren, alle Maßnahmen der vergangenen Jahre auf den Prüfstand zu stellen und zwar nicht nur durch Lehrer, sondern besonders durch externe Fachleute und die dringend notwendigen Verbesserungsmaßnahmen durchzuführen, ist nicht vorhanden. Man beschränkt sich darauf, durch immer neue Maßnahmen die Situation vermeintlich zu mildern, in Wirklichkeit wird es immer schlimmer.

Zahlreiche innovative Ansätze und Ideen sind von Anfang an zum Scheitern verurteilt, weil sie nicht in das politisch unverrückbare Grundkonzept des Schulsystems passen. Was dann wiederum seitens der Kultusbehörden gestattet wird, funktioniert oft in der Praxis nicht, wegen fehlender verbindlicher Umsetzungsvorgaben und Fortbildungen oder schlichtweg der fehlenden Ressourcen. In allen Stellungnahmen des Landeselternbeirats der letzen Jahre kann man nachlesen, welche Probleme vorhergesagt wurden, die dann in der Regel auch eintraten.

Auch die vielen Gleichgesinnten, Kirchen, Verbände, Parteien, Gewerkschaften etc. die wir im Laufe der Jahre gefunden und kennengelernt haben vermochten nicht, Einsicht bei den politisch Verantwortlichen in die Schaffung eines Bildungs- und Schulwesens zu wecken, welches das Wohl und den Erfolg des Kindes in den Mittelpunkt stellt. Für uns ist dies nirgendwo so deutlich geworden wie im Französischstreit an der Rheinschiene, bei dem hunderte von verzweifelten Eltern, Schülern und Lehrern insgesamt 15.000 Euro spendeten, um die Grundrechte ihrer Kinder letztlich durch einen Gerichtsbeschluss vor der Landesregierung zu schützen. Die Grundschüler müssen immer noch unter dieser Willkür und der fehlenden Einsichtsfähigkeit der politisch Verantwortlichen, Fehler zu korrigieren, leiden. Weitere Beispiele für die Fruchtlosigkeit der Elternarbeit:

1. Die verbindliche Grundschulempfehlung, die ohne einen einzigen Beleg für ihren Sinn als Faustpfand der Grundschulen gegenüber den Eltern aufrecht erhalten wird. Die Grundschüler und ihre Eltern sind auf Gedeih und Verderb einer Willkür ausgesetzt, die sich auf die Benotung von 2 Fächern im ersten Halbjahr der 4. Klasse beschränkt. Verbunden mit dem Verbot, die Grundschule frei wählen zu können, ist dies ein Instrument, anhand dessen deutlich wird, wie das „System Schule“ in einer demokratischen Gesellschaft mit dem Bild des selbstbestimmten Menschen und seiner Eigenverantwortlichkeit umgeht. Auf dem Papier steht Erziehungspartnerschaft, in der Realität erklärt man die Eltern für unfähig, die Interessen ihrer Kinder zu schützen und zu wahren.

2. G 8 wurde nun seitens des Finanzministers als das enttarnt, was der Landeselternbeirat lange befürchtet hatte: Ein Steinbruch, um die teuren Gymnasiallehrer zu sparen. Begabte Kinder schaffen es, keine Frage. Begabte „Langsamlerner“ und Normalbegabte gehen auf die „billigere“ Realschule und dann das berufliche Gymnasium (G 9), das aus allen Nähten platzt oder ihre Eltern bezahlen Nachhilfeinstitute, die das Kind im G8 auffangen und nachunterrichten, was durch die Verkürzung dem Kind nicht vermittelt werden konnte. Bislang gab es weder eine Fortbildungsoffensive im Umgang mit G8 und dem Bildungsplan, noch eine Untersuchung darüber, ob und wie das G8 überhaupt funktionieren kann. Die Klassen sind meist doppelt so groß wie vom Finanzminister mit 16 Schülern auf 1 Lehrkraft berechnet.

3. Die Kooperation Kindergarten –Grundschule wurde in einer Verwaltungsvorschrift festgeschrieben, aber wie bei vielen anderen Festschreibungen hat sich bis heute niemand die Mühe gemacht, zu untersuchen, ob die eine Stunde pro Woche, die hierfür zur Verfügung gestellt wird (aber nicht zweckgebunden!), auch für die Kooperation verwendet wird und ob und wie die Kooperation überhaupt erfolgreich ist. Unbestritten ist die dringende Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule, für die sehr gute Handreichungen erarbeitet wurden.

4. Das Berufseinstiegsjahr (BEJ) wurde als Weiterqualifizierung für schwache Hauptschulabsolventen (alle mit Abschluss) eingeführt. Praktiker sprechen mittlerweile von einem Horrortrip. In den Klassen findet sich eine Kumulation von Schülern mit multiplen Problemstellungen im sozialen, persönlichen und kognitiven Bereich. 5. Die Vergleichsarbeiten wurden eingeführt, gegen den Willen des Landeselternbeirats mit Benotung. Die Benotung wurde mittlerweile abgeschafft. Bis heute werden die Vergleichsarbeiten aber nicht als Diagnoseinstrument zur Lernstandserhebung mit anschließendem Förderplan eingesetzt, sondern sie werden geschrieben und verschwinden dann im Papierkorb. Auch als Evaluationsinstrument für den Unterricht könnten sie bei zentraler Auswertung und einer Rückmeldung an den Lehrer eingesetzt werden. Dies hatte der Landeselternbeirat immer wieder vergeblich gefordert.

6. Die Einführung der Werkrealschule ist letztlich der Gipfel einer Politik, dies sich darauf beschränkt irgendetwas einzuführen in der Hoffnung, dass sich dann alle Probleme von selbst lösen. Weder die Finanzierung, noch die notwendige Ausstattung der Schulen sind geklärt. Wie die Kumulierung von Hauptschülern mit zum Teil multiplen Problemlagen an den großen WRSen bewältigt werden soll, ist ungeklärt. Die Kosten für die notwendigen Schülerverkehre durch die Schließung der standortnahen Hauptschulen zahlen die Eltern. Der Trick hierfür bestand darin, die Werkrealschule zur „Wahlschule“ zu erklären. Da die Hauptschule vor Ort als „Pflichtschule“ aber gar nicht mehr alternativ zur Verfügung steht, muss das Kind fahren und die Eltern, da es ja auf eine „Wahlschule“ geht, bezahlen. Wie so oft hat keine oder nur eine unzureichende Fortbildung der Lehrer stattgefunden. Das Schlimmste: Bis heute gibt es keinen Bildungsplan, wie die WRS ab September überhaupt arbeiten wird. Wie die dringend notwendige Förderung der schwachen Hauptschüler (siehe BEJ) aussieht, bleibt wieder einmal ungeklärt.

7. Die Forderung nach einer Finanzierung der Schulsozialarbeit durch Land ist bis heute eines der großen Themen, an denen deutlich wird, wie wenig der Bildungs- und Erziehungsauftrag seitens der Landesregierung wahrgenommen wird. Das Postulat der Landesverfassung, dass Schule Kinder bilden und erziehen muss, ist eindeutig, das der Lehrer auch. Allein die Landesregierung weigert sich die Realität und den gesetzlichen Auftrag anzuerkennen und verschiebt unter der Bezeichnung “Jugendsozialarbeit“ die Schulsozialarbeit in den Bereich der kommunalen Jugendhilfe. Dass Unterricht und Schule an vielen Orten nur halbwegs rund laufen, weil sie von Schulsozialarbeitern mitgetragen werden, wird geflissentlich übersehen. Es geht bei Schulsozialarbeit genau nicht um die Erfüllung einer Aufgabe im Sinne der Jugendhilfe (Kindswohlgefährdung), sondern um den sozialen Frieden und das Lernklima an der Schule.

8. Evaluation an Schulen ist wie in allen Lebensbereichen elementar für die Sicherstellung der Qualität und deren Weiterentwicklung. Das beste und einfachste Mittel zur Erhebung, Prüfung und Verbesserung sämtlicher schulischer Angelegenheiten sind schulinterne Schüler- Eltern- und Lehrerfragebögen. Hiermit können alle Betroffenen zu Unterricht, Klassenklima, Schule und anderem befragt werden. Die Existenz einer Fremdevaluation macht keinen Sinn, wenn nicht überhaupt erst einmal verinnerlicht ist, wie man sich selber auf den Prüfstand stellt. Da dies aber offensichtlich nicht gewünscht ist hat das „System Schule“ zur Vermeidung jeglicher Unannehmlichkeiten frühzeitig sichergestellt, dass weder Unterricht noch Personal und überhaupt nur durch Lehrer evaluiert werden darf. Jetzt wird geprüft, ob das Mensaessen schmeckt oder die Farbe der Klassenzimmer in Ordnung ist. Kein Lehrer weiß allerdings, wie viele seiner Schüler Nachhilfeunterricht benötigen!Sieben Punkte, die hier stellvertretend für viele weitere stehen und zeigen, dass man sich in der Bildungspolitik anscheinend auch mit viel Arbeit, Sachverstand und Herzblut totlaufen kann.

Deshalb ziehen wir die Konsequenzen und legen unser Vorstandamt nieder.Christiane Staab und Sylvia Wiegert