Fünf Tage Bildungsurlaub kann ein Arbeitnehmer in Baden-Württemberg pro Jahr nehmen. Foto: blickwinkel

Die Unternehmen in Baden-Württemberg müssen ihre Beschäftigten im Rahmen der Bildungszeit für Seminare zu sozial- und gesellschaftspolitischen Themen freistellen. Die IG Metall begrüßt das Urteil des Landesarbeitsgerichts – der Arbeitgeberverband bedauert es.

Stuttgart - Zwölf betriebliche Konflikte über das Bildungszeitgesetz in Baden-Württemberg sind binnen zwei Jahren vor dem Arbeitsgericht gelandet – fast alle aus der Metallindustrie. Am Mittwoch hatte das Landesarbeitsgericht in Stuttgart erstmals in einer Berufungsverhandlung zu entscheiden. An deren Ende musste der Verband der Metallarbeitgeber folglich eine richtungweisende Niederlage einstecken: Das von Südwestmetall vertretene Unternehmen – die ZF-Tochter TRW-Automotive in Alfdorf (Rems-Murr-Kreis) – hätte einen Verfahrenstechniker für eine Weiterbildung bezahlt freistellen müssen.

Gericht lässt Revision zum BAG zu

Die Führung des Automobilzulieferers hatte dessen Antrag auf Bildungszeit mit der Begründung abgelehnt, dass die Schulung „Arbeitnehmer in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft“ Ende September 2016 im Bildungszentrum der IG Metall in Lohr-Bad Orb nicht den Anforderungen des Gesetzes entspreche. Insbesondere handele es sich nicht um staatspolitische Weiterbildung im Sinne des Gesetzes. Daraufhin klagte der Verfahrenstechniker vor dem Arbeitsgericht Stuttgart – mit Erfolg. Die Arbeitgeberseite ging dagegen in Berufung.Wie alle vier erstinstanzlichen Urteile zu dem Gesetz legt das Landesarbeitsgericht einen „weiten Begriff der politischen Weiterbildung“ zugrunde, bei der etwa sozialpolitische oder gesellschaftliche Zusammenhänge vermittelt werden können. Dabei orientiert es sich nicht nur an früheren Rechtsprechungen zu Fällen in anderen Bundesländern, sondern auch an den völkerrechtlichen Arbeitsnormen, an die sich das Gesetz anlehnt. Allerdings ließ das Landesarbeitsgericht wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Revision zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt zu. Dieses wird sich frühestens 2018 darauf einlassen.

Grün-Schwarz will ab Herbst evaluieren

Das am 1. Juli 2015 in Kraft getretene Gesetz erlaubt bis zu fünf Tage bezahlter Freistellung im Jahr zur beruflichen oder politischen Weiterbildung sowie zur Qualifizierung für Ehrenämter. Die politische Bildung war dem Arbeitgeberverband stets ein Ärgernis. Bei Grün-Schwarz findet er insoweit Gehör, dass die CDU-Wirtschaftsministerin schon von Herbst an und bis zu ein Jahr lang das Gesetz evaluieren will. Ursprünglich war die Überprüfung erst vier Jahre nach Inkrafttreten vorgesehen.„Das Gesetz zur Disposition zu stellen wäre das völlig falsche Signal“, sagte die SPD-Landeschefin Leni Breymaier dieser Zeitung: „Wer an Sonntagen das Ehrenamtsland Baden-Württemberg feiert, darf nicht werktags den Kassierern im Verein oder den Übungsleitern im Sport die Möglichkeit verweigern, sich auf den neuesten Stand zu bringen.“ Wenn „die Rechtspopulisten überall erstarken, kann man doch nicht infrage stellen, dass politische Bildung notwendig ist“. Das Bündnis, das sich für die Bildungszeit starkmache, decke ein breites Spektrum ab. „Hier müssen wir für Gegenwind sorgen“, sagte Breymaier. „Man kann ja nicht ein Gesetz nach dem anderen abräumen, wie es die Landesregierung tut.“

IG-Metall-Bezirksleiter Roman Zitzelsberger nannte das Urteil ein „wichtiges Signal an Grün-Schwarz, das Gesetz zu erhalten“. Südwestmetall forderte hingegen eine Beschränkung der Freistellung „auf die beruflich sinnvolle Weiterbildung“.