Ein Flüchtling aus Eritrea schneidet bei seiner Arbeit bei einem Kabelhersteller ein Stück Kabel von einer Kabelrolle ab. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Die Länderkammer stimmt dem Vorschlag Baden-Württembergs zu, die Bundesregierung um eine nochmalige Reform der Beschäftigungsduldung zu bitten. Die Hürden für Geflüchtete mit Job würden dann niedriger. Eine Unternehmerinitiative hatte dies gefordert.

Stuttgart - Sie sind gut integriert, haben einen festen Job – und können doch jederzeit abgeschoben werden: Nicht wenige Geflüchtete im Land sind zwar als Arbeitskräfte geschätzt, erfüllen aber nicht die Voraussetzungen für einen dauerhaften Aufenthalt. Obwohl sie bereits in der Hochphase der Flüchtlingswelle bis Ende Februar 2016 eingereist sind und obwohl eine Unternehmerinitiative seit Jahren versucht, ihnen zu helfen, leben viele von ihnen in permanenter Unsicherheit. Die Abschiebung des Nigerianers Lukman Lawall Ende vergangenen Jahres aus Konstanz hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.

Nun hat Baden-Württembergs Landesregierung am vergangenen Freitag im Bundesrat einen entscheidenden Schritt gemacht, um dieses Problem zu entschärfen. Die Länderkammer hat dem Antrag zugestimmt, die Bundesregierung um eine Änderung des Aufenthaltsgesetzes zu bitten. Dabei geht es um die sogenannte Beschäftigungsduldung. Diese seit Jahresbeginn geltende Regelung gibt abgelehnten Asylbewerbern, die einen festen Job haben, eigentlich eine Bleibeperspektive – vorausgesetzt, sie sind seit mindestens zwölf Monaten „geduldet“, so der Fachbegriff für einen bestimmten Aufenthaltsstatus. Der Haken dabei ist, dass diese Duldungsphase bei vielen Flüchtlingen zu kurz ausfällt. Denn die Zeit ihres Asylverfahrens zählt nicht dazu – und das sind oftmals viele Jahre.

Erfolg im zweiten Anlauf

Grüne und CDU in der Landesregierung hatten sich deshalb im Frühjahr darauf verständigt, diese Hürde über den Bundesrat zu senken. „Der Bundesrat hat dieser Initiative zugestimmt“, sagt jetzt Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) zur Sitzung am vergangenen Freitag. Bei Geflüchteten, deren Asylverfahren von der Hochphase des Flüchtlingszugangs betroffen waren, soll für den zwölfmonatigen Duldungszeitraum auch die Aufenthaltszeit während des Asylverfahrens berücksichtigt werden. Damit haben mehr arbeitende Flüchtlinge – die geschätzte Zahl schwankt zwischen mehreren Hundert und mehreren Tausend – die Möglichkeit, im Land zu bleiben.

„Mit unserer Initiative wollen wir nun im Interesse der Wirtschaft sicher stellen, dass diese eingearbeiteten Kräfte nach Möglichkeit in den Betrieben verbleiben können – auch bei bestehender Ausreisepflicht“, sagte Strobl. Die Regelung solle aber nur für Ausländer gelten, die bis zum 29. Februar 2016 in das Bundesgebiet eingereist sind, damit Anreize für eine künftige Wirtschaftsmigration vermieden werden. Die bisherigen Erfahrungen mit der Beschäftigungsduldung hätten gezeigt, dass die Unternehmen und ausländische Arbeitskräfte noch nicht die erforderliche Rechtssicherheit hätten. Strobl: „Vielmehr wirkt sich der Umstand, dass während des zwölfmonatigen Duldungszeitraums jederzeit Abschiebungen erfolgen können, negativ auf betriebliche Abläufe und Planungen aus.“

Furcht vor Sogwirkung

Die spannende Frage ist nun, ob die Bundesregierung dem Ersuchen des Bundesrats folgt und das Aufenthaltsgesetz nochmals abändert. Denn unter den Abgeordneten gibt es nicht wenige, die sehr wohl einen „Pull-Effekt“ fürchten, also eine Sogwirkung auf weitere Migranten. Strobl betont deshalb den Stichtag 29. Februar 2019. Immerhin ist es der Landesregierung gelungen, die Länderkammer zu dieser neuen Entschließung zu bewegen. Im Februar 2019 hatte es dafür im Bundesrat noch keine Mehrheit gegeben. „Nun waren wir im zweiten Anlauf erfolgreich“, sagte Strobl.

Die Grünen hatten diese neuerliche Initiative zur Bedingung gemacht, dass sie der von Strobl gewünschten Verschärfung des baden-württembergischen Polizeigesetzes zustimmen. Der Innenminister will dies noch vor der Sommerpause vom Ministerrat absegnen lassen.