Starkregen, der Keller steht unter Wasser – wer zahlt für die Schäden? Der Hausbesitzer, die Gemeinde oder die Versicherung. Der Bundesgerichtshof klärt in einem aktuellen Urteil auf. Foto: dpa

Wenn Starkregen Keller unter Wasser setzt, kann es dafür viele Gründe geben: verwurzelte Kanäle, eine fehlende Rückstausicherung, überlastete Leitungen. Der Bundesgerichtshof hat nun grundsätzlich geklärt, wer wofür haftet.

Karlsruhe - Sorgen Baumwurzeln in der Kanalisation für Überflutungen, haften Grundstückeigentümer für Schäden ihrer Nachbarn nur in engen Grenzen. Der Bundesgerichtshof (BGH) klärte am Donnerstag in Karlsruhe, in welchem Umfang Eigentümer kontrollieren müssen, ob Wurzeln Rohre beschädigt haben (Az.: III ZR 574/16). 

Ein Thema, das Millionen Hausbesitzer interessieren dürfte

Warum geht es in dem vorliegenden Fall vor dem Bundesgerichtshof nur um zwei Drittel der Schäden?
Geklagt hatte eine Hausbesitzerin aus Königslutter in Niedersachsen, deren Keller im Juli 2012 nach Starkregen überflutet worden war. Die Wurzeln einer Kastanie auf dem angrenzenden Wendeplatz der Gemeinde hatten den Kanal verstopft. Die Fluten richteten im Haus einen Schaden von rund 30 000 Euro an. Von der Gemeinde hatte die Eigentümerin zwei Drittel der Schadenssumme gefordert – also 20 000 Euro. Dass sie ihr Haus nicht gegen einen Rückstau gesichert hatte, schließt eine Haftung der Gemeinde laut BGH in diesem Fall nicht aus. Allerdings muss die Klägerin für einen Teil der Schäden selbst einstehen.
Müssen private Haueigentümer jetzt selbst die Kanalisation regelmäßig überprüfen?
Nein. Aus Sicht des BGH ist ihnen das in der Regel nicht zuzumuten, da sie gar keinen Zugang zur Kanalisation haben.
Wer haftet, wenn keine Rückstausicherung eingebaut worden ist?
Eine fehlende Rückstausicherung führt nach bisheriger Rechtsprechung dazu, dass die Kommunen als Kanalbetreiber nicht für Überflutungsschäden haften. Dies gilt nach dem aktuellen Urteil des BGH aber nicht, wenn die Gemeinde als Grundstückseigentümerin in Anspruch genommen wird, weil Baumwurzeln die Kanalisation verstopften.
Haftet die Gemeinde in jedem Fall?
Entscheidend ist, ob sie ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Verwurzelungen müssen entfernt werden, soweit diese im Rahmen „ohnehin gebotener Inspektionen“ des Kanals erkennbar sind. Ob überhaupt und wie genau Kontrollen durchgeführt werden müssen, hängt nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes von der Nähe des Baums zu den Rohren sowie seiner Gattung, seinem Alter und dem Wurzelsystem ab.
Wozu dient eine Rückstausicherung?
Staut sich Wasser durch starke Regenfälle oder Kanalverstopfungen, gelangt es vom öffentlichen Kanal durch die Ableitungsrohre in den Keller. Das Abwasser steigt maximal bis auf das Niveau der Straßenoberkante an und kann alle tieferliegenden Bereiche des Hauses überfluten. Eine Rückstausicherung schützt das Gebäude gegen einen solchen Stau im Kanalsystem, an das es angeschlossen ist.
Wie funktionieren Rückstauklappen?
Um das zu vermeiden, gibt es verschiedene mechanische und elektronische Möglichkeiten – wie Rückstauklappen. Diese befinden sich teils im Anschluss an das Kanalnetz, teils können sie direkt in den Hausinstallationen sitzen. So lassen sich zum Beispiel einzelne Klappen für Kellerwaschbecken im Siphon nachrüsten. Sie sorgen dafür, dass Wasser durch den Abfluss fließen kann, verriegeln aber bei Druck von unten das Rohr.
Wie effektiv sind Hebeanlagen?
Experten zufolge sind vollautomatische Hebeanlagen im Keller der beste Schutz. Die Funktion der Anlagen muss regelmäßig überprüft werden, sonst droht der Verlust des Versicherungsschutzes. Hebeanlagen leiten das Wasser in einen Behälter und pumpen es über die Rückstaugrenze nach draußen. „Damit soll verhindert werden, dass Wasser durch die Rohre ins Haus eindringt“, sagt Peter Queitsch vom Städte- und Gemeindebund NRW. „Gerade bei Starkregen ist das wichtig.“ Die Gemeinden verpflichteten die Bürger dazu, ihre Häuser gegen einen Rückstau zu sichern.

So funktionieren Rückstausicherung und Überflutungsschutz am Haus

Die BGH-Klägerin ist dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Ein Einzelfall?
Keineswegs. „Sehr viele Hauseigentümer haben keinen Rückstauschutz eingebaut“, erklärt Manuela Lierow von der Verbraucherzentrale NRW. Meist geschehe das aus Unkenntnis. „Die Bürger wissen viel zu wenig über ihre Abwasserleitungen.“
Zahlen Versicherungen im Schadensfall?
Schäden durch Rückstau sind weder von der Elementarschaden- noch Hausratversicherung abgedeckt, wenn keine funktionstüchtige Rückstausicherung vorhanden ist.
Wie häufig sind Schäden durch Rückstau bei Regenfällen?
Starkregenfälle werden künftig zunehmen. Das bedeutet für Millionen von Hausbesitzer, dass Sie akut von Rückstauschäden im Keller bedroht sind, insbesondere dann, wenn sie über keine Rückstausicherungen verfügen. „Das Thema ist wegen des vermehrten Starkregens in den vergangenen Jahren aktuell“, sagt Bernd Düsterdiek vom Städte- und Gemeindebund.
Sollten Hausbesitzer jetzt nachrüsten?
Zuerst sollte man sich aber bei der Stadtentwässerung erkundigen, welche Stellen gesichert werden müssen. Sind Rückstauklappen in der Abwasseranlage montiert, dann sollten Hausbesitzer die Funktion einmal im Jahr von einem Fachbetrieb prüfen lassen, heißt es seitens der Verbraucherschützer.
Was bedeutet das Urteil für die Klägerin aus Niedersachsen?
Der Prozess geht weiter. Das Oberlandesgericht Braunschweig muss nun prüfen, ob die Gemeinde nach dem Maßstab, den der BGH entwickelt hat, die Wurzeln der Kastanie hätte beseitigen müssen.