Zur Ganztagsschule gehört auch kostenlose Hausaufgabenbetreuung. Foto: dpa

Bis zum Jahr 2023 sollen alle Grundschüler wählen können, ob sie die Halb- oder die Ganztagsschule besuchen.

Bis zum Jahr 2023 sollen alle Grundschüler wählen können, ob sie die Halb- oder die Ganztagsschule besuchen.

Stuttgart - Am Ende ging es noch einmal richtig zur Sache: Vier Stunden lang diskutierten Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid und Kultusminister Andreas Stoch (beide SPD) mit den Spitzen der Kommunalen Landesverbände am Dienstagabend darüber, wie sie gemeinsam den Ausbau von Ganztagsschulen voranbringen könnten. Nach weiteren vier Stunden am Mittwoch kam es schließlich zur Einigung über Konzept und Finanzierung: Die Kommunen können künftig entscheiden, ob die Schulen an drei oder vier Nachmittagen geöffnet sind – und ob sieben oder acht Stunden täglich. Die Schulträger entscheiden auch darüber, ob die Ganztagsschule für alle Schüler verpflichtend ist oder Eltern zwischen Halb- und Ganztagsangeboten wählen können.

Finanzminister Schmid bezeichnete die Vereinbarung am Donnerstag als „historische Übereinkunft“. Damit seien Schulen möglich, die „den heutigen Erfordernissen der Eltern und auch der Wirtschaft besser entsprechen können“. Kultusminister Stoch sind vor allem die pädagogischen Konzepte wichtig. „Gute Ganztagsangebote sichern Lernerfolge der Kinder und sorgen für mehr Bildungsgerechtigkeit“, betonte er. Die zusätzlichen Lehrerstunden sollen unter anderem dafür genutzt werden, Kinder individuell zu fördern und ihnen bei den Hausaufgaben zu helfen.

Je nach Öffnungszeiten erhalten die Schulen für jede Ganztagsgruppe sechs bis zwölf zusätzliche Lehrerstunden pro Woche. Um das Ganztagsangebot zu koordinieren, bekommen die Schulleitungen ebenfalls eine Zusatzstunde. Das neue Schulgesetz soll im Sommer verabschiedet werden. Dann können bereits zum neuen Schuljahr Ganztagsschulen nach dem neuen Modell starten. Mit einer größeren Welle rechnet Stoch allerdings erst zum Schuljahr 2015/16.

Halb- und Ganztagsschule sollen Grundschülern in vertretbarer Entfernung zur Verfügung stehen. Land und Kommunen gehen davon aus, dass bis zum Endausbau im Jahr 2023 etwa 70 Prozent der rund 2500 Grundschulen freiwillige oder verpflichtende Ganztagsschulen werden. Derzeit sind rund 16 Prozent Ganztagsschulen.

Mehr als 2000 Lehrstellen nötig

Die Kosten für die Ganztagsgrundschulen im Endausbau werden auf 147 Millionen Euro geschätzt, dazu kommen weitere 10,6 Millionen Euro für Ganztagsförderschulen für Kinder mit Lernschwierigkeiten. Stoch hofft darauf, dass die schwarz-rote Bundesregierung den Ausbau finanziell unterstützt.

Um dieses Ziel zu erreichen, werden mehr als 2000 Lehrerstellen gebraucht. Auf bis zu 50 Prozent der Extrastunden können die Schulen verzichten und dafür Geld erhalten, um außerschulische Kräfte wie Übungsleiter für den Sport, Musikschullehrer oder Theaterpädagogen zu bezahlen.

Für das Mittagessen und Angebote, die über das Ganztagsangebot hinausgehen, können auch Gebühren erhoben werden – etwa für Geigen- oder Klavierunterricht. Neben solchen Angeboten müsse es aber zeitgleich kostenlose Angebote für Schüler geben, sagte Schmid. Angestrebt wird unter anderem eine enge Zusammenarbeit mit Sportvereinen, Kultur- und Jugendorganisationen und der Wirtschaft. Das Land übernimmt die Aufsicht während der Mittagspause. Für Essensausgabe und die Beaufsichtigung der Schüler im Speiseraum sind die Kommunen verantwortlich. Sie können Ganztagsschulen beantragen, wenn die Schulkonferenz, also Lehrer und Eltern, dem zustimmen und mindestens 25 Schüler teilnehmen.

Die Kommunalen Landesverbände sind mit der Vereinbarung zufrieden. „Mehr als 45 Jahre nach dem Start des ersten Schulversuchs gelangt die Ganztagsschule endlich ins Schulgesetz“, sagte Städtetagspräsidentin Barbara Bosch. Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags, erklärte: Ziel der Kommunen sei es, „die bestmöglichen Bildungsangebote“ für die Schüler zu schaffen. Auswirkungen haben neue Ganztagsschulen auch auf die Schülerbeförderung. Landkreistagspräsident Joachim Walter begrüßte, dass das Land bereit ist, bei Mehrkosten den Kreisen mehr Geld zu bezahlen.