Das neu eingeführte Wahlrecht ab 16 wird im Land bislang kaum genutzt Foto: dpa

Mit Blick auf die Kommunalwahlen im Mai will das Land Jugendliche ermuntern, von ihrem neuen Wahlrecht Gebrauch zu machen. Bislang wird es kaum benutzt.

Mit Blick auf die Kommunalwahlen im Mai will das Land Jugendliche ermuntern, von ihrem neuen Wahlrecht Gebrauch zu machen. Bislang wird es kaum benutzt.

Stuttgart - Nur 1,5 Prozent Beteiligung unter den jugendlichen Erstwählern waren es in Wilhelmsdorf (Landkreis Ravensburg), etwa drei Prozent in Pliezhausen (Kreis Reutlingen) und 18 Prozent in Zwingenberg (Neckar-Odenwald-Kreis): Bei Bürgermeisterwahlen haben sich die neuen Wahlberechtigten unter 18 Jahren bisher zurückgehalten. Dabei hatte vor knapp einem Jahr die grün-rote Landesregierung das Gesetz verabschiedet, das Jugendlichen ab dem Alter von 16 Jahren ermöglicht, auf kommunaler Ebene zu wählen.

Der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Rombach sah dem Ganzen skeptisch entgegen. Seine Befürchtungen haben sich bestätigt. „Das Gesetz ist ein Widerspruch in sich“, sagt Rombach. Auf der einen Seite haben Jugendliche noch nicht alle Rechte und Pflichten, auf der anderen Seite sollen sie aber mitbestimmen. „Ich war skeptisch, weil ich von einer Überforderung im Einzelnen ausgegangen bin. Die Befürchtung hat sich bestätigt“, so Rombach. „Es muss noch einiges getan werden. Von alleine kommen Jugendliche nicht darauf, dass sie etwas verändern können. Dafür müssen Mittel bereitgestellt werden“, sagt er.

Nur in sehr wenigen Gemeinden und Städten war die Wahlbeteiligung von Jugendlichen so hoch wie der Durchschnitt von allen Wahlberechtigten. In den allerwenigsten Kommunen war die Beteiligung von jungen Erstwählern höher. Eine Ausnahme stellt Radolfzell am Bodensee dar. Dort war die Wahlbereitschaft von Jugendlichen sogar höher als beim Rest der Wähler. Oberbürgermeister Martin Staab hat sich im Oktober aus der Stauferstadt Waiblingen heraus um das Amt beworben. Im Wahlkampf wurde er nach eigenen Worten „von überraschend vielen jungen Leuten angesprochen“. Den Grund sieht Staab im Jugendgemeinderat, „der hier sehr aktiv ist“. Zusammen mit den Schulen und der SMV hat dieser Infoveranstaltungen für die Erstwähler organisiert und die 16-Jährigen informiert. Jugendliche konfrontierten Martin Staab mit Belangen wie der Frage nach Veranstaltungsorten, Treffpunkten oder der Frage nach dem Bau einer Disco. Junge Erwachsene erkundigten sich nach bezahlbarem Wohnraum und Sportmöglichkeiten. „Jugendliche wissen hier gut Bescheid – das war deutlich“, sagt Staab.

Gesonderte Wahlkampagnen für Erstwähler gab es bei der Mehrheit der Kommunen nicht. Das soll jetzt in Hinblick auf die anstehenden Kommunalwahlen am 25. Mai anders werden.

Die Landeszentrale für politische Bildung startet zusammen mit dem Landesjugendring die Kampagne „Wählen ab 16“. Im Haushalt des Landes wurden dafür 300 000 Euro bereitgestellt. Die Kampagne besteht aus Aktionen wie etwa einer Diskussionsrunde „Gib deinen Senf dazu“, Workshops „Das erste Mal im Wahllokal“ oder Planspielen wie „Du hast die Wahl in Wahlingen“. Außerdem werden Materialien für den Unterricht bereitgestellt. Dadurch werden Jugendliche gleichzeitig informiert und motiviert. Die Kampagne soll eine Ergänzung zum Gemeinschaftkunde-Unterricht sein. Darüber hinaus wird aber „Wahlrecht ab 16“ bei der Bildungsplanreform laut Kultusministerium berücksichtigt.

„Jugendliche können viel, man muss ihnen nur mehr zutrauen“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Sascha Binder. Dabei bezieht er sich auf seine Erfahrungen aus Schulbesuchen. „Ich versuche den Jugendlichen klarzumachen, dass es möglich ist, Dinge im Ort zu ändern.“ Der 30-Jährige nennt Beispiele: Das kaputte Fußballtor auf dem Bolzplatz oder die nicht überdachte Bushaltestelle vor der Haustür.

Jugendliche sollen bald nicht nur wählen dürfen, sondern kommunalpolitisch mehr Verantwortung bekommen. Jüngst hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf erstellt, der eine Änderung in der Gemeindeordnung vorsieht. Demnach können Jugendliche einen Jugendgemeinderat in ihrer Gemeinde beantragen, sofern es noch keinen gibt. Außerdem sollen sie verbindliche Rede- und Antragsrechte im Gemeinderat haben. „Der Jugendgemeinderat soll nicht nur eine Spielwiese sein“, sagt der Grünen-Fraktionsvize Andreas Schwarz. Die Kommunen dürfen aber weiterhin bestimmen, auf welche Art die Schulen die Vertreter für den Jugendgemeinderat wählen. Die Größe des Gremiums richtet sich nach der Einwohnerzahl.