Nach Meinung von Experten wird das Baustellenmanagement immer besser: „Trödeln kann sich keiner mehr leisten“. Foto: dpa

Neben Staus sind sie für viele Autofahrer das größte Ärgernis: Baustellen, auf denen (vermeintlich) nicht gearbeitet wird. Laut Bundesverkehrsministerium schneidet Baden-Württemberg besonders schlecht ab. Die Verantwortlichen setzen sich zur Wehr.

Stuttgart - Winfried Hermann (Grüne) hat die Problematik schon am eigenen Leib erfahren. Nicht als leidgeplagter Autofahrer, sondern in seiner Funktion als Verkehrsminister. Auf dem Würmtalviadukt (A 81) erlebte er den Zorn der Autofahrer aus nächster Nähe. „Schafft endlich was!“, schallte es seiner Entourage aus dem sich stauenden Gegenverkehr entgegen. Dabei hatte der Minister nur die Baustelle besichtigt – in Warnweste, weshalb er als Bauarbeiter ausgemacht wurde.

Die Episode zeigt: Noch immer sind Baustellen, auf denen sich kein Rad dreht, für Autofahrer ein rotes Tuch. Kein Wunder, verbringen sie doch genug Zeit im Stau. Nach einer aktuellen Auswertung des Baustellenmelders des Bundesverkehrsministeriums gibt es in Baden-Württemberg besonders viele Baustellen, die an ein Stillleben erinnern. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) nennt sie „Schlafbaustellen“.

Knapp 200 wurden seit Oktober 2011 aus Baden-Württemberg gemeldet, nur aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz gingen noch mehr Beschwerden ein. Da nicht der Bund, sondern die Länder für das Baustellenmanagement zuständig sind, ist es ein Leichtes, für Ramsauer zu sagen: „Baustellen müssen so zügig wie möglich abgewickelt werden.“ Die Vorgaben des Bundes würden „vielerorts zu zögerlich oder nicht konsequent umgesetzt.“

Hermann: „Bei uns gibt es keine Schlafbaustellen“

Für seinen Länderkollegen Hermann läuft Ramsauers Kritik ins Leere. Die Vorgaben für ein effektives Management würden von der Straßenbauverwaltung „auf Punkt und Komma umgesetzt“, sagt der baden-württembergische Verkehrsminister. Erhebungen über die durchschnittliche Dauer einer Baustelle führt sein Ministerium nicht. Hermann hat aber sämtliche Meldungen überprüft und meint, die meisten Klagen entkräften zu können. Häufig hätten die Arbeiten witterungsbedingt ausgesetzt werden müssen. Oder die lange Aushärtezeit (Asphalt 24 bis 36 Stunden/Beton bis zu 28 Tage) war der Grund dafür, dass Baustellen verwaist waren. Hermann: „Bei uns gibt es keine Schlafbaustellen.“

Selbiges behaupten auch die Straßenbauverwaltungen. „Trödeln kann sich keiner mehr leisten“, heißt es. Schließlich gibt es Vorgaben, die an ein Bonus-Malus-System geknüpft sind. Werden die Arbeiten in der vorgegebenen Zeit erfüllt, gibt es Zulagen, andernfalls Strafzahlungen.

Ramsauers Kritik sei polemisch und nicht viel mehr als Wahlkampfgetöse, sagt einer, der schon viele Baustellen gesehen hat. Die häufigsten Gründe, warum das Verbreitern einer Autobahn, das Sanieren einer Brücke oder das Flicken von Asphalt bisweilen länger dauern kann, sind demnach: Das Wetter, technische Abläufe (Aushärten) sowie logistische Probleme wie Lieferschwierigkeiten.

Fakt ist, dass zuletzt in den Straßenbauverwaltungen des Landes fast zehn Prozent der Stellen eingespart wurden. Ein Gutachten soll nun klären, wie die Arbeit effektiver gestaltet werden kann.

Autoclub schlägt Nachtbaustellen vor

Die eher kritischen Automobil- und Verkehrsverbände stimmen dem Land zu, dass es um die Baustellen im Südwesten gar nicht so schlecht bestellt ist. „Das Problem war schon akuter“, meint Raimund Elbe vom ADAC. Rainer Hillgärtner vom ACE sagt: „Dass Bauarbeiter sich einen faulen Lenz machen, ist ein Fehlurteil.“

Dem ACE schweben dennoch zwei Verbesserungsmöglichkeiten vor. Erstens eine bessere Kommunikation. Hessen macht es bereits vor und informiert staugeplagte Autofahrer mit elektronischen Anzeigen über Hintergründe und Verlauf. Das bringt dem Autofahrer zwar keinen direkten Nutzen, kann aber zumindest besänftigen.

Zweitens: Nachtbaustellen. Der Club verweist auf eine Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast), wonach Baustellen, an denen nachts durchgearbeitet wird, besser für die Volkswirtschaft sind. Schlicht deshalb, weil dadurch weniger Pkw und Lkw im Stau stehen.

Ähnlich sieht es der ADAC. Reimund Elbe bringt auch den Samstag ins Spiel. In Ländern wie Frankreich würde samstags durchgearbeitet. Hierzulande seien Bautätigkeiten noch immer sehr wochentaglastig – dann, wenn am meisten Verkehr ist. Der ADAC-Sprecher fordert: „Selbstzufriedenheit darf es nicht geben, Tabus auch nicht.“

Glaubt man dem ADAC, gibt es wenigstens die schlimmsten Patzer nicht mehr. Etwa wie vor einigen Jahren in Nürtingen, als vier Baustellen gleichzeitig eingerichtet wurden – ehe man feststellte, dass damit keine Zufahrt in die Stadt mehr möglich war.