Nur weil Geld fehlt, soll sich die Gefängnistür nicht öffnen Foto: dpa

Nach Debatten über die Sicherheit angesichts freigelassener Häftlinge wird die Justiz vom Finanzminister weniger stark zur Kasse gebeten. Eine Untersuchung der Belastung der Strafkammern im Land habe „kein einheitliches Bild“ ergeben.

Nach Debatten über die Sicherheit angesichts freigelassener Häftlinge wird die Justiz vom Finanzminister weniger stark zur Kasse gebeten. Eine Untersuchung der Belastung der Strafkammern im Land habe „kein einheitliches Bild“ ergeben.

Stuttgart - Das baden-württembergische Justizministerium muss seinen Etat in den kommenden beiden Jahren offenbar doch nicht so stark zurückfahren wie bislang angenommen. Aus Regierungskreisen verlautete am Dienstag, dass man im Zuge der Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2015/16 die Höhe der Sparauflage bereits reduziert habe. Begründet wird dies damit, dass das Justizministerium in den vergangenen Jahren bereits erhebliche Beträge eingespart habe. Nach den Regeln, die sich die grün-rote Landesregierung für die Sanierung des Haushalts gegeben hat, werden derartige Vorleistungen honoriert.

Wie viel das Justizministerium noch einsparen muss, ist unklar. Die Gespräche laufen. Es gehe aber um Beträge, die es den 2100 Richtern und 500 Staatsanwälten im Land weiter erlauben würden, ihre Arbeit so zu erledigen, dass die Sicherheit gewährleistet sei, heißt es aus Regierungskreisen. Das in den Medien verbreitete Horrorszenario, demzufolge man abends nicht mehr durch den Stadtpark laufen könne, weil überforderte Gerichte massenhaft Untersuchungshäftlinge freilassen müssten, werde nicht Realität, sagt ein Beamter süffisant.

Damit wird angespielt auf die Aufregung vor rund einem halben Jahr. Damals musste das Landgericht Heilbronn fünf Drogendealer aus der Untersuchungshaft entlassen, weil es nach Ansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart nicht schnell genug zum Prozess kam. Nach Darstellung des Landgerichts lag dies an fehlendem Personal, aus Sicht des Justizministeriums eher an mangelhafter, weil nicht vorausschauender Planung.

Vertreter der Justiz nahmen den Fall zum Anlass, vor weiteren Einsparungen in der Justiz zu warnen. Andernfalls würden sich solche Fälle häufen, sagten sie. Auch Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) stimmte, wenn auch zurückhaltend, in das Klagelied ein, was ihm intern Ärger mit dem Koalitionspartner einbrachte.

Als eine Konsequenz ließ Stickelberger die Belastung der Strafkammern im Land untersuchen. Das Ergebnis liegt nun vor.

Laut der Sprecherin des Justizministeriums hat die Erhebung „kein einheitliches Bild“ ergeben. Die Belastungssituation an den einzelnen Landgerichten stelle sich unterschiedlich dar. Von einer generell alarmierenden Situation kann demnach keine Rede sein. Die Ministeriumssprecherin weist allerdings schon darauf hin, dass die Gerichte zunehmend aufwendigere Hauptverhandlungen zu bewältigen hätten, „die sowohl bei den Gerichten als auch bei den Staatsanwaltschaften Personal in großem Umfang binden. Als Grund dafür gilt, dass das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeiten eingeschränkt hat, mit Hilfe sogenannter Deals zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht die Prozesse zu vereinfachen.

Als Konsequenz aus der Aufregung sollen die Gerichte künftig personelle Engpässe so schnell wie möglich ans Justizministerium melden – im Heilbronner Fall gibt es Zweifel, ob dies in ausreichender Weise geschah. Zudem solle auch die Kommunikation zwischen den Gerichten und den Staatsanwaltschaften vertieft werden, damit auf eine besondere Häufung von Haftsachen und besonders eilige Verfahren rasch reagiert werden könne, so die Ministeriumssprecherin.

Nach Darstellung des Justizministeriums hat sich die Zahl der Untersuchungshäftlinge, die wegen Personalmangels bei den Gerichten entlassen werden mussten, in den vergangenen Jahren nicht erhöht. 2013 waren es zwölf Personen in drei Verfahren, der Durchschnitt liegt bei 3,4 Verfahren pro Jahr, in denen so etwas passiert, wobei nicht immer Personalmangel der Grund ist.

Die grün-rote Landesregierung muss spätestens im Jahr 2020 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. So sieht es die Schuldenbremse, die im Grundgesetz verankert wurde, für alle Bundesländer vor. Da im Landeshaushalt wegen davonlaufender Personalausgaben eine milliardenschwere Deckungslücke klafft, wurden für jedes Ministerium Orientierungspläne erarbeitet, die den Häusern sagen, wie viel sie jedes Jahr einsparen müssen.

Was das Justizministerium angeht, war von rund 70 Millionen Euro die Rede, die es insgesamt in den Jahren 2015 und 2016 zu erbringen habe. Laut der Grünen-Fraktion entspricht dies rund 1,5 Prozent des Haushaltsvolumens des Ministeriums. Dies müsse leistbar sein. Zugleich zeigte sich Fraktionschefin Edith Sitzmann dafür offen, einen Teil der Einsparauflagen zeitlich nach hinten zu schieben. Wegen der Notariats- und Grundbuchamt-Reform sei ab 2018 ohnehin mit erheblichen Stelleneinsparungen zu rechnen.

Wie Stickelberger am Dienstag sagte, ist eine solche Verschiebung noch Gegenstand der Verhandlungen mit dem Finanzministerium. In einigen Wochen werde man „sicher ein einvernehmliches Ergebnis“ haben.

Die Panne in Heilbronn hatte übrigens konkrete Folgen: Als der Prozess gegen die Drogendealer Ende April begann, fehlten zwei der freigelassenen Angeklagten. Von ihnen fehlt jede Spur, vermutlich sind sie im Ausland untergetaucht. Für die anderen wird am Donnerstag das Urteil gesprochen.