In Konstanz ist Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) trotz Podcast-Übertragung seiner Gemeinderatssitzungen bisher nicht zum viralen Superstar geworden. Foto: Stadt Konstanz

Ausgerechnet die Corona-Krise könnte einen Modernisierungsschub auslösen und die angestaubte kommunale Gremienarbeit revolutionieren.

Stuttgart - Stundenlange Sitzungen in ebenso historischen wie engen Ratssälen, Abstimmungen per Handzeichen, dazu ein paar Senioren als Zuhörer, die im Hobbykeller vermutlich keine Modellbahn haben. So stellen sich viele eine Gemeinderatssitzung vor. Dass sie damit nicht ganz falsch liegen, hängt weniger mit mangelnder Innovationskraft der Bürgermeister oder der Beharrlichkeit (zu) altgedienter Stadträte zusammen. Es ist das enge Korsett der Gemeindeordnung, das neue Formen verhindert.

Die Corona-Krise könnte hier einen Modernisierungsschub auslösen und die kommunale Gremienarbeit im Land unverhofft ins 21. Jahrhundert katapultieren. Die Regierung wolle den Gemeinderäten und Kreistagen „in dieser schwierigen Zeit neue und der Zeit angemessene Arbeitsmöglichkeiten“ geben, hat der Innenminister Thomas Strobl (CDU) jetzt angekündigt. Schon in der nächsten Fassung der Corona-Verordnung solle dies umgesetzt werden. Dann, so Strobl, dürfen die kommunalen Gremien auch in Videokonferenzen rechtswirksame Entscheidungen treffen.

Fragwürdige Notsitzung

Beim Städtetag begrüßt man diese Wendung. Videokonferenzen hatte man sich dringend gewünscht. Zuletzt war es immer schwieriger geworden, Sitzungen mit bis zu 60 Stadträten abzuhalten und dabei dem Infektionsschutz Rechnung zu tragen. Dies führte zu demokratisch fragwürdigen Aktionen. So beschlossen in Tübingen vier Stadträtinnen in einer Notsitzung ohne Aussprache den Haushalt.

Zur Beteiligung der Öffentlichkeit denkt Strobl an eine Übertragung für Presse und Bürger in den Sitzungssaal. Bis zum echten Livestream sei es da nicht weit, findet der Städtetagsdezernent Norbert Brugger. Schon lange würden viele Kommunen ihre Sitzungen gerne via Internet in die Wohnzimmer senden. Bisher macht sich einzig die Stadt Konstanz diese Mühe, aber nur zeitversetzt und als Podcast, weil aus Datenschutzgründen Zuschauer und Verwaltungsmitarbeiter herausgeschnitten werden müssen. In vielen Städten hofft man, dass das künftig wegfällt. Allerdings gilt Strobls Lockerung nur für die Corona-Zeit. Gut möglich, dass die kommunale Liveshow danach wieder nur im Ratssaal zu haben ist.