Nationalparkgegner blasen Grün-Rot vergeblich den Marsch. Foto: dpa

Das 10.000 Hektar große Gebiet zwischen Baden-Baden und Baiersbronn ist zwar vom Landtag beschlossen, bleibt in der Bevölkerung aber umstritten.

Das 10.000 Hektar große Gebiet zwischen Baden-Baden und Baiersbronn ist zwar vom Landtag beschlossen, bleibt in der Bevölkerung aber umstritten.

Stuttgart - Zum Schluss machen alle noch einmal mächtig Lärm: Während drinnen im Landtag die letzte Redeschlacht zum Nationalpark tobt, verschaffen draußen Dutzende Schwarzwälder ihrem Zorn mit Trillerpfeifen und Waldhörnern Luft. Auch die Naturschützer von Nabu, WWF und Greenpeace drehen auf und drapieren den Parlamentseingang mit Plastik-Auerhähnen.

Doch insgesamt bleibt es friedlich, und so stehen denn Gegner und Befürworter einträchtig, aber unversöhnlich auf dem Stuttgarter Schlossplatz, schimpfen ein wenig und halten Transparente in die kalte Novemberluft: „Wir können alles, auch Nationalpark“, steht auf den einen. Und direkt daneben: „75 Prozent sind dagegen.“

Die Sache ist gelaufen, das wissen alle. Daran ändert auch ein spontanes Gespräch mit dem Ministerpräsidenten nichts mehr. Winfried Kretschmann hat es ihnen am Vormittag angeboten und sich noch einmal ihre Bedenken angehört. Sogar einen Hubschrauberflug über den Bayerischen Wald haben sie ihm angeboten, um die Borkenkäferschäden zu begutachten. Doch er lehnt ab. Nach einer Stunde geht man frustriert auseinander: „Es war ein Austausch bekannter Argumente“, sagt ein Teilnehmer.

Vorwurf des Schmierentheaters

Grundsätzlich Neues fällt aber auch den Abgeordneten nicht mehr ein – auch wenn sich alles, was Rang und Namen hat, noch einmal zu Wort meldet. Natürlich schlägt die CDU in die Kerbe namens Bürgerbeteiligung, bohrt noch einmal hinein in die Wunde, dass sieben Gemeinden im Nordschwarzwald den Park ablehnen. „Sie scheitern an Ihren selbst gestellten Ansprüchen“, schmettert CDU-Fraktionschef Peter Hauk dem Ministerpräsidenten entgegen. Grün-Rot entscheide über die Köpfe der örtlichen Bevölkerung hinweg.

Sein Fraktionskollege Patrick Rapp macht handwerkliche Mängel aus und vermisst Konzepte für Verkehr, Tourismus und nicht zuletzt für die Finanzierung. Die CDU werde es besser machen mit einem kleineren, mit den Bürgern abgestimmten Nationalpark, versprechen die Christdemokraten – sofern sie denn 2016 wieder an die Regierung kommen.

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke holt noch gröbere Keile aus seiner rhetorischen Werkzeugkiste und wirft Grün-Rot vor, ein Schmierentheater abzuziehen. „Bei Ihnen hört Bürgerbeteiligung dort auf, wo der Bürger seine eigene Meinung entwickelt“, so der FDP-Mann. Beim Nationalpark gehe es nicht um Naturschutz, sondern um ein ideologisches Prestigeprojekt. Das Projekt sei weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Doch das sehen Grüne und Rote natürlich ganz anders.

„Heute ist ein historischer Tag“, sagen sie immer wieder. Auch Kretschmann selbst, der den Nationalpark in einer halbstündigen Rede rechtfertigt, tut es nicht darunter. Gerade Baden-Württemberg als Industrieland sei verpflichtet, die biologische Vielfalt zu erhalten – nein, zu verbessern. Und dann ist der gelernte Biologielehrer in seinem Element und kramt ein Farbplakat aus seinen Unterlagen hervor, das er entrollt: Es zeige den „rotrandigen Baumschwamm“, belehrt er das verdutzt blickende Parlament.

Nein, die Vorschläge der Bürger habe man nicht abgebügelt

Einstmals verschollen, sei dieser im Nationalpark Bayerischen Wald wieder aufgetaucht, doziert der Grünen-Politiker. Auch der „Tannenstachelbart“ sei so ein Rückkehrer. Totholz sei eben nicht tot, sondern biete Moosen, Flechten, Pilzen, Schwämmen, Asseln und Laufkäfern einen einmaligen Lebensraum.

Punkt für Punkt arbeitet Kretschmann ab, Einwand für Einwand. Ja, das Borkenkäferproblem sei nicht trivial, aber es gebe eine Pufferzone. Nein, die Vorschläge der Bürger habe man nicht abgebügelt, sondern im Gesetzentwurf sehr wohl berücksichtigt. Aber letztlich, so mutmaßt er, gehe es beim Nationalpark um die Grundeinstellung zum Wald: Will man ihn uneingeschränkt nutzen, oder lässt man zu, dass er auch irgendwo sich selbst überlassen bleibt?

Diesen Wertekonflikt, so Kretschmann, könne man nur mit dem Hinweis auf die geringe Größe des Projekts auflösen: Der Nationalpark umfasse 0,7 Prozent der Waldfläche im Land: „Es gibt wirklich keinen Grund, sich dermaßen darüber aufzuregen.“ Hauk hält ihm daraufhin entgegen: „Für die Menschen im Nordschwarzwald ist das Gebiet aber zu 100 Prozent Heimat.“

Nein, der Nationalpark taugt nicht zum Kompromiss. Die Fronten bleiben auch in der Schlussabstimmung starr. Nur ein einziger aus den Reihen der CDU schert aus: der Landrat des Zollernalb-Kreises, Günther-Martin Pauli. Er macht schon seit Monaten kein Hehl aus seiner Sympathie zum Nationalpark und spricht damit aus, was auch manch anderer Fraktionskollege denkt – aber nicht zu sagen wagt.

So wird der Park, der 2014 offiziell zu existieren beginnt, also ein rein grün-rotes Projekt. Die aus dem Schwarzwald angereisten Gegner überreichen ihre 30 000 Protestunterschriften denn auch der CDU.