Tiefer Fall: Ex-Radprofi Lance Armestrong. Foto: dpa

Pat McQuaid hat genug von Lance Armstrong. „Er muss vergessen wer- den“, sagte der Präsident des Radsport-Weltverbandes (UCI), als er dem Dopingbetrüger die sieben Tour-Siege aber- kannte. Eine klare Aussage. Und doch sind noch viele Fragen unbeantwortet.

Genf - Lance Armstrong sieht sein Leben als ständigen Wettkampf, er hasst es, zu verlieren. Sein Credo: „Schmerz ist vergänglich, Aufgeben hält ewig.“ Umso mehr muss ihn diese Niederlage treffen, denn sie ist endgültig. „Heute nehmen wir Lance Armstrong die sieben Siege bei der Tour de France weg“, erklärte UCI-Chef Pat McQuaid am Montag in einem Hotel am Genfer Flughafen. Die Karriere des einstigen Tour-Heroen ist zerstört, in der Ruhmeshalle des Radsports wird ein Platz frei. Unwiderruflich.

McQuaid erkannte damit die Rechtsprechung der US-amerikanischen Anti-Doping-Behörde (Usada) an, die er bis vor wenigen Wochen noch aufs heftigste bekämpft hatte. Über 1000 Seiten an Beweismaterial trug die Behörde zusammen und schrieb damit eine ganze Epoche um. Denn fest steht: Der Radsport hat (mindestens) ein Jahrzehnt des schlimmsten Dopingbetrugs erlebt. Lance Armstrong war ein Kind dieser Zeit und deren prägendster Vertreter. Ein Alleintäter war er sicher nicht.

Umso mehr wird in Erinnerung bleiben, dass McQuaid sein Urteil mit dem Satz kommentierte: „Es gibt keinen Platz mehr für Armstrong im Radsport.“ Da wird einer geächtet, der ein Dopingsystem installiert hat, das perfekt funktionierte. Dass Armstrong von der UCI nun aber ganz aus dem Radsport verbannt und dessen US-Postal-Team als Hort des Bösen dargestellt wird, ist nichts als ein durchsichtiger Vertuschungsversuch – zu den vielen Hinweisen der Usada auf Doping in anderen Rennställen hat sich McQuaid nicht geäußert. „Die UCI war durch den Druck der Beweismittel gezwungen, im Fall Armstrong so zu handeln. Aber sie hat doch seit Jahren weggeschaut und alles Wissen ignoriert. Jetzt faselt sie von einem Neuanfang. Mir wird schlecht dabei“, meinte Christian Frommert, früherer Pressesprecher der Teams Telekom und T-Mobile.

„Der Radsport hat eine Zukunft“

Wie es weitergehen soll im Radsport? Dazu hat Mc Quaid, trotz aller Kritik, eine klare Meinung – mit ihm selbst natürlich. „Ich werde nicht zurücktreten“, sagte der UCI-Präsident, „der Radsport hat eine Zukunft.“ Konkreter wurde er nicht, im Gegensatz zu Travis Tygart. „Es ist notwendig, eine unabhängige Wahrheits- und Aufarbeitungskommission zu etablieren, damit dieser Sport sich ganz von seiner Vergangenheit befreien kann“, sagte der Usada-Chef, „es gibt noch viele weitere Details über Dopingärzte und korrupte Teamchefs. Die Omertá ist noch nicht komplett gebrochen.“

Tygart selbst hat seinen Teil dazu beigetragen, Licht ins Dunkel zu bringen, indem er mit großer Hartnäckigkeit das Dopingsystem Armstrong aufdeckte. Bleibt die Frage, warum andere Anti-Doping-Agenturen nicht ähnlich erfolgreich arbeiten? In Deutschland gäbe es auch einige Themen, die Blutdoper in Freiburg zum Beispiel. Rudolf Scharping, als Chef des Bund Deutscher Radfahrer nicht gerade ein emsiger Dopingjäger, forderte schon mal mehr Kompetenzen für die Nationale Anti-Doping-Agentur: „Beispielsweise kann die Usada eine Kronzeugenregelung anbieten, die Nada nicht.“

Tygart hat auch Tony Martin (27) beeindruckt. „Gut, dass es Dopingjäger gibt, die sich durch Bedrohungen nicht stoppen lassen“, sagte der Zeitfahrweltmeister, der unter dem Generalverdacht leidet: „Es gibt Radsportler, die schon aus Altersgründen nichts mit den alten Strukturen am Hut haben und ein hohes Maß an Idealismus und Ehrlichkeit in sich tragen. Ich zähle mich dazu. Wir haben eine faire Chance verdient.“

Die Aussichten indes sind schlecht. Denn der Fall Armstrong ist zwar aus sportrechtlicher Sicht beendet, wird aber noch lange präsent sein. Schließlich drohen dem US-Amerikaner, dessen Vermögen auf rund 75 Millionen Euro geschätzt wird, Schadenersatzklagen in Millionenhöhe, Tour-Veranstalter Aso fordert alle Prämien für die sieben Siege in Höhe von drei Millionen Euro zurück. Armstrong muss für seine Vergangenheit bezahlen. Was für eine Niederlage!