Noch nimmt die Deponie Am Froschgraben in der Nähe von Schwieberdingen im Kreis Ludwigsburg Erdaushub aus der Region Stuttgart auf. Foto: Simon Granville/Simon Granville

Wo wird in Zukunft in der Region der Erdaushub gelagert? Der Suchlauf hat begonnen. Nun gibt es einen Katalog mit Hinweisen, wo neue Standorte möglich sind – und wo nicht.

Es ist noch ein langer Weg, der vor den Verantwortlichen liegt. Spätestens Ende dieses Jahrzehnts aber muss die Stuttgarter Regionalversammlung eine Lagerstätte für vergleichsweise harmlosen und nicht ganz so harmlosen Erdaushub auf dem Gebiet der Stadt Stuttgart oder der fünf angrenzenden Landkreise gefunden haben.

 

Denn der Kreis Ludwigsburg, der aktuell noch den Großteil des regionalen Erdaushubs in den beiden Deponien Am Froschgraben bei Schwieberdingen und Burghof bei Vaihingen Enz aufnimmt, will nicht länger die Abfallhalde der Region sein. Da die Deponien in absehbarer Zeit an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen werden, und weil der Gesetzgeber den Regionalversammlungen die Entsorgungspflicht des Erdaushubs übertragen hat, stehen nun die Regionalräte in der Pflicht.

Ein Balanceakt zwischen Umweltschutz und Akzeptanz

Das ist nicht nur eine technische Herausforderung. Das Projekt wird auch, das ist schon jetzt klar, ein höchst brisanter Balanceakt zwischen den zu berücksichtigenden Belangen des Umweltschutzes, der Wirtschaftlichkeit und der gesellschaftlichen Akzeptanz. Denn wer hat schon gerne eine Erddeponie vor der eigenen Haustür? Einen ersten Bürgerbeteiligungsprozess hat es bereits gegeben. Auch die Bedarfsanalyse mit der Ermittlung der zu erwartenden Abfallmengen liegt vor.

Um aber überhaupt ein gewisses Maß an Einsicht bei betroffenen Kommunen und Bürgern zu erreichen, muss es klare Kriterien für und gegen die noch ins Auge zu fassenden Standortvarianten geben. Dazu hat der Verband Region Stuttgart (VRS) die WAT-Ingenieurgesellschaft beauftragt. Dessen Chef Peter Henigin hat nun im Wirtschaftsausschuss der Region einen Katalog vorgestellt, anhand dessen eine weitgehend objektive Beurteilung der jeweiligen Standorte möglich sein soll.

Ein gewaltiger Katalog mit 62 Kriterien

Wie schwierig die Aufgabe wird, macht allein schon die reine Zahl der dort aufgelisteten Kriterien deutlich. „Noch nie haben wir einen Katalog mit insgesamt 62 Einzelkriterien erstellt“, sagt Henigin. Der Leitfaden umfasst vier Gruppen: Ausschluss-, Rückstellungs-, Ergänzungs- und Abwägungskriterien. Die Regionalräte haben diesen Kriterienkatalog einstimmig beschlossen.

Die dort genannten 19 Ausschlusskriterien sind dabei die weitgehendste Variante. Trifft nur eine von ihnen zu, so stellen sie ein unüberwindbares Hindernis dar und schließen die Verwirklichung einer Deponie an diesem Standort kategorisch aus. Typische Beispiele sind Naturschutz- und hochwertige Wasserschutzgebiete, Überschwemmungsgebiete und Naturdenkmäler, also Gebiete, die aufgrund ihrer ökologischen Bedeutung oder Seltenheit schon jetzt unter Schutz stehen.

Einige Flächen können zunächst zurückgestellt werden

Im Gegensatz zu den Ausschlusskriterien können Rückstellkriterien die Realisierung einer Deponie nicht grundsätzlich verhindern. Diese Kategorie weist jedoch auf Flächen hin, die aufgrund geringerer Eignung zunächst zurückgestellt werden sollten. Diese Kriterien können aber nochmals überprüft und angepasst werden, wenn sich bei der Suche überhaupt keine anderen geeigneten Gebiete finden.

Beispiele hierfür sind Landschaftsschutzgebiete oder so genannte geologische Störzonen, also Gebiete mit ungünstigen geologischen Bedingungen, die die Stabilität und Dichtigkeit einer Deponie beeinträchtigen könnten.

Auch Streuobstwiesen spielen eine Rolle

Unter die Ergänzungskriterien fallen Aspekte der Umweltverträglichkeit, die nicht ganz so schwerwiegend sind wie die für Rückstellungskriterien. Diese Standorte können zunächst als Potenzialflächen ausgewiesen werden, müssen aber im Hinblick auf die Sicherung von Wasservorkommen oder dem Hochwasserschutz genau betrachtet werden. Auch Streuobstwiesen fallen als wertvoller Lebensraum für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten in diese Kategorie.

Bei den Abwägungskriterien wiederum handelt es sich um die qualitative Bewertung von Standortfaktoren. Im Mittelpunkt dabei sollen Aspekte der Umweltverträglichkeit und der Abfallwirtschaft stehen. Sie werden erst berücksichtigt, wenn die angedachten Flächen die Prüfung der drei anderen Kriterien durchlaufen haben.

„Die Stimmung wird sich ändern

Konkret geht es dabei um viele Detailfragen, etwa die Nähe der Deponie zu Orten, an denen der meiste Abfall anfällt, die Verfügbarkeit der Flächen für den Bau einer Deponie, die Auswirkungen der Deponie auf das Erscheinungsbild der Landschaft und der Schutz von Wäldern und altem Baumbestand.

Heftige Proteste werden sich dennoch kaum vermeiden lassen. Das weiß auch FDP-Regionalrat Kai Buschmann: „Die Stimmung wird sich ändert, wenn es dann konkret wird.“

Suchlauf für eine Deponie

Deponiesituation
Aktuell gibt es vier Deponien in der Region Stuttgart, wobei die Deponien Einöd in Stuttgart und die Deponie bei Backnang-Steinbach (Rems-Murr-Kreis) für das regionale Müllmanagement keine bedeutende Rolle spielen. Die Hauptlast tragen die beiden noch existierenden Deponien im Landkreis Ludwigsburg – Am Froschgraben bei Schwieberdingen und Burghof bei Vaihingen/Enz.

Ludwigsburg
Der Landkreis Ludwigsburg will nicht länger die Abfallhalde der Region sein. Im März 2024 hat der Ludwigsburger Kreistag deshalb beschlossen, die 2022 begonnene Suche nach einem Standort für eine weitere Erddeponie auf dem Kreisgebiet zu beenden. Damit waren auch zunächst ins Auge gefasste Areale bei Großbottwar und Hemmingen vom Tisch.

Suchlauf
Dass dieser Suchlauf eine Menge Sprengstoff bietet, ist angesichts der Flächensituation in der dicht besiedelten Region verständlich – und auch die Sprecher der Fraktionen haben deutlich gemacht, dass es sich zwar „nur“ um eine vergleichsweise harmlose Erddeponie handelt, dass man aber trotzdem bei der Suche nach Akzeptanz in der Bevölkerung mit heftigem Widerstand rechnen müsse. hol