US-Africom-Kommandeur Thomas Waldhauser (re.) empfängt Libyens Regierungschef Fayez al-Sarraj in seinem Hauptquartier in Stuttgart. Foto: Lichtgut/Verena Ecker

Libyen ist ein Land im Chaos. Doch das Stuttgarter US-Afrika-Kommando versucht, der schwachen Einheitsregierung beim Aufbau einer Sicherheitsstruktur zu helfen.

Stuttgart - Das Ganze wirkte ein wenig wie ein Staatsbesuch im Kleinformat: Schwere dunkle Limousinen fahren vor. Am roten Teppich war eine militärische Ehrenformation angetreten. Und eine US-Army-Band spielt die libysche Nationalhymne, als der Kommandeur des Stuttgarter US-Afrika-Kommandos (Africom), Vier-Sterne-General Thomas Waldhauser, am Mittwochmorgen Libyens Premierminister Fayez al-Sarraj zum Gespräch empfing.

Sechs Jahre nach dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi sollte das Land längst nur eine Regierung haben. Doch es gibt mindestens zwei. Fayez al-Sarraj, Premier und Staatspräsident der unter Vermittlung der Vereinten Nationen zustande gekommenen Einheitsregierung, sollte eigentlich im ganzen Land die Regierungsgewalt ausüben. Doch davon ist er weit entfernt. Libyen ist ein Land im Chaos. War es anfangs nur in Ost und West geteilt, ziehen jetzt so viele bewaffnete Milizen durchs Land, dass es schwierig ist, den Überblick zu behalten. Alleine 30 größere oder kleinere sollen es in der Hauptstadt Tripolis sein. Manche stehen auf der Seite der Einheitsregierung, andere sind deren Gegner und stehen islamistischen Politikern nahe. Auch wenn in Tripolis gerade eine Waffenruhe vereinbart wurde, ist die Lage doch so prekär, dass die deutsche Botschaft seit 2014 in Tunis, der Hauptstadt im benachbarten Tunesien, arbeitet.

Das Tor nach Europa

Libyens internationale Partner im Westen und in der Region versuchen fieberhaft, die libyschen Rivalen an einen Tisch zu bekommen, um die fortdauernde politische, ökonomische und militärische Krise zu lösen. „Wir müssen alles daran setzen, um zu verhindern, dass sich die Lage zu einen totalen Bürgerkrieg auswächst“, sagt General Waldhauser unserer Zeitung. Er spielte damit auf die zentrale Bedeutung Libyens in der Flüchtlingskrise und im Kampf gegen den Terror an.

In der Tat ist Libyen derzeit auf der zentralen Mittelmeerroute für Flüchtlinge das Tor nach Europa. Italiens Regierung befürchtet, dass sich 2017 300 000 zumeist aus Afrika stammende Flüchtlinge aufmachen.

Im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) immerhin gibt es Erfolge: Galt der IS in Libyen 2016 noch als der gefährlichste IS-Ableger außerhalb des Iraks und Syriens, scheint er jetzt deutlich geschwächt. Africom-Chef Waldhauser schätzt, dass sich nach der Vertreibung aus Sirte noch 100 bis 200 IS-Kämpfer in Libyen aufhalten. „Sie sind im Überlebensmodus, aber immer noch da“, so der US-Offizier. „Wir werden sie weiter beobachten, und wenn die Einheitsregierung uns dazu auffordert, werden wir ihr dabei helfen.“

Aber kann der militärische Erfolg einen Beitrag zur Einigung des Landes leisten? Solange das Macht- und Sicherheitsvakuum in Libyen andauert, können der IS oder andere Islamisten, da sind sich die Sicherheitsexperten einig, jederzeit wieder erstarken. Erschwerend hinzu kommt die Einmischung Russlands auf der Seite von General Chalifa Haftar, der mit der Oppositionsregierung im Osten Libyens verbündet ist. Offiziell sehen die Russen in dem starken Mann eine stabilisierende Kraft. Moskau will sich so wohl Einfluss auf Libyens Zukunft sichern. Die ohnehin schwierige Suche nach einem Ausgleich unter den Libyern selbst, befürchten viele, wird damit aber noch schwieriger.