Damit an bestehenden Bundesfernstraßen Lärmschutz gebaut werden kann, muss ein bestimmter Lärmpegel überschritten sein. Foto: Kraufmann

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hat zwischen 2011 und 2013 die Hälfte der bewilligten Bundesmittel für Lärmschutz an bestehenden Bundesfernstraßen nicht abgerufen. Er sieht sich dabei aber in guter Gesellschaft: Die Vorgängerregierung hat in manchen Jahren auf noch mehr Geld verzichtet.

Stuttgart - 30,8 Millionen Euro hat der Bund in den Jahren 2011 bis 2013 dem Land dafür bewilligt, den Lärmschutz an bestehenden Autobahnen und Bundesstraßen zu verbessern. Doch wie die „Heilbronner Stimme“ jetzt vermeldet hat, zog das Verkehrsministerium des Landes nur 15,8 Millionen davon heran. Mehr habe nicht verbaut werden können, sagte dazu in einer ersten Stellungnahme ein Sprecher.

Kaum war die Nachricht bekannt, übte die Opposition schärfste Kritik an Minister Hermann. Die CDU im Landtag sei entsetzt. Das sei „unerklärbar und unakzeptabel“, so die CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi am Donnerstag. Das Argument, es gebe nicht genügend Lärmsanierungsmaßnahmen, ließ sie nicht gelten: „Es gibt in jedem Kreis Bedarf.“ Allerorten warteten lärmgeplagte Bürger auf Abhilfe. Das Land entscheide, plane, fordere die Mittel und baue.

Doch ganz so einfach ist es offenbar nicht. Aus einer Übersicht geht hervor, dass die jeweils amtierende Landesregierung – vor Grün-Rot also Schwarz-Gelb – nur im Jahr 2009 den Rahmen ausgeschöpft hat. Bis dahin wurde seit 2000 mit wenigen Ausnahmen sogar nur ein geringer Bruchteil der eigentlich vom Bund bewilligen Mittel abgerufen.

Gisela Splett, Staatssekretärin im Verkehrsministerium und Lärmschutzbeauftragte der Landesregierung, erklärt das so: Die Sanierungsmittel dürften nur für bestehende Straßen, nicht für Ausbau- oder Neubaumaßnahmen verwendet werden. Dann liege vielfach der Grenzwert zu hoch: Das Land darf den Kommunen nur Zuschüsse zahlen, wenn tags mindestens 67 dB (A) (entspricht Staubsaugerlärm) und nachts 57 dB (A) (Gesprächslautstärke)gemessen werden. Diesen Grenzwert hält Splett für zu hoch, was auch die Lärmwirkungsforschung bestätige: Wenigstens um zwei dB (A) müsste er gesenkt werden. Die Mittel, um die es jetzt geht, sind „zweckgebunden für nacheilenden Lärmschutz“. Bisher hat aber nur die Hälfte der Kommunen im Land überhaupt einen Lärmaktionsplan. So meldet das Land beim Bund laut Splett keinen konkreten Bedarf an. Die Zuweisung erfolge „nicht rein bedarfsorientiert“. Dadurch gebe es Mittelreste. Im kommenden Jahr, so Splett weiter, seien im Haushalt zehn Millionen Euro zusätzlich für Lärmschutz an bestehenden Straßen eingestellt. Der Bund entscheide, wie er die Summe auf die Länder aufteile.

Splett betont aber die Anstrengungen des Verkehrsministeriums, wirksamen Lärmschutz zu erreichen. So seien die Regierungspräsidien angewiesen, bei jeder Sanierung zu prüfen, ob Lärmwerte überschritten würden und ob dort ein lärmmindernder Asphalt möglich sei. Außerdem werde über die Lärmkartierung erfasst, an welchen bestehenden Bundesfernstraßen einerseits viele Betroffene lebten und andererseits die Belastung besonders hoch sei. Ergebnis seien die Maßnahmen zwischen 2014 und 2016.

Zu diesen Maßnahmen zählt der Bau von Lärmschutzwänden an der A 5 bei Karlsruhe, an der B 10 bei Kuchen (Kreis Göppingen) und an der B 10 bei Reichenbach (Kreis Esslingen). Lärmarme Beläge seien auf der A 81 bei Freiberg (Kreis Ludwigsburg), auf der B 27 bei Neckarsulm (Kreis Heilbronn), auf der B 500 in Baden-Baden, auf der B 292 bei Aglasterhausen (Neckar-Odenwald-Kreis), auf der B 294 bei Waldkirch (Kreis Emmendingen) und auf den Landesstraßen in Ditzingen-Heimerdingen und Bergatreute (Kreis Ravensburg) aufgebracht worden.

Diese Bilanz ist dem FDP-Landesvorsitzenden Michael Theurer zu schwach. Winfried Hermann sei ein „Verkehrsverhinderungsminister“. Dabei habe er auch beim Lärmschutz alles in seiner Kraft stehende für die Menschen zu unternehmen. Nicole Razavi kritisiert, anders als bei Straßen könne das Land beim Lärmschutz selbst über die Maßnahmen entscheiden. Forderungen aus der Bürgeschaft geben es genug.

Der grüne Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand wirft Razavi Heuchelei vor: „Als engste Vertraute und Mitarbeiterin von Stefan Mappus in dessen Zeit als Staatssekretär und Minister für Verkehr weiß sie genau, dass nie mehr Geld in den Lärmschutz gesteckt wurde als unter Grün-Rot.“ Die CDU habe in der eigenen Regierungszeit „miserabelste Abrufquoten bei Lärmschutzmitteln von zehn Prozent und weniger erreicht.“ Der Verkehrsexperte der Grünen im Landtag, Andreas Schwarz sagt: „Heute werden Millionen investiert, damit die Menschen im Land ruhig schlafen können. Die CDU-Verkehrsminister hatten dafür nur Summen im Gegenwert eines Kreisverkehrs übrig.“