Julien Stich und seine Schwägerin Talia Dangel wohnen beide in Wohnungen direkt zum Sportplatz hin. Sie engagieren sich für eine Öffnung des Platzes. Foto: Brand

Auf dem Cotta-Sportplatz wird schon seit vielen Jahren außerhalb der Schulzeiten Basketball gespielt. Das geht jetzt nicht mehr, weil es einigen neuen Anwohnern zu laut ist. Dabei war ursprünglich nur von einer „eingeschränkten“ Nutzung die Rede, nicht von einem Verbot.

Der Sportplatz der Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule direkt am Park der Villa Berg im Stuttgarter Osten darf nur noch für schulische Zwecke genutzt werden. Das trifft vor allem die Stuttgarter Streetball-Community hart.

Für die Streetballer – das ist eine Basketball-Variante – war der Platz nicht nur ein regelmäßiger Treffpunkt, sondern auch ein Austragungsort etwa des Cotta-Streetball- Festivals. Der Grund für die Schließung des Platzes für junge Leute, die nicht an die Schule gehen: Einige der neu gebauten Wohnungen des Projekts „Dreizeit – Wohnen an der Villa Berg“ grenzen unmittelbar an die Sportfläche an, und einige der Anwohner fühlen sich durch die mit dem Ballsport unweigerlich verbundene Geräuschkulisse gestört. Andere wiederum spielen aber auch gerne selbst mal auf dem Platz.

Manchmal begann das Spiel schon frühmorgens

„Wenn ich hierhin ziehe, kann ich mir denken, dass der Platz genutzt wird”, sagt Julien Stich. Er wohnt seit Oktober 2021 mit seiner Familie in einer der Wohnungen, die direkt am Cotta-Sportplatz liegen. Stich spielt selbst gerne dort. Wenn allerdings auf dem Platz um 5.30 Uhr morgens schon Bälle geworfen werden, was auch schon vorgekommen ist, findet er das auch nicht so toll. Aber sonst setzt er sich als Anwohner dafür ein, dass der Platz weiter zu festgesetzten Uhrzeiten auch außerschulisch genutzt werden kann. Einige seiner Nachbarn sehen das ganz anders.

Sie haben das schon im Frühjahr 2022 über den internen Mailverteiler der Bewohner der „Dreizeit“-Wohnungen thematisiert. Es gab erste Gesprächsrunden unter anderem mit der Schule, der Stadtverwaltung, Spielern, der mobilen Jugendarbeit. Diese Anwohnerinitiative kam nicht bei allen Beteiligten gut an, im Mai 2022 flogen die ersten Eier in Richtung der Neubauten. Die Spuren sind an der Fassade immer noch erkennbar. Das verschärfte den Konflikt.

Kritik: Viele Spieler kommen von weit her

Im September 2022 stellten zwei der Anwohner, die nach eigenen Angaben für 12 der etwa 20 unmittelbar angrenzenden Wohnparteien sprechen, beim Tagesordnungspunkt „5 Minuten für Bürgerinnen und Bürger“ in einer öffentlichen Sitzung des Bezirksbeirats Stuttgart-Ost ihre Sicht der Dinge dar. Demnach würde der Platz – den es in der jetzigen Form seit dem Jahr 2011 gibt – von rund 80 Spielerinnen und Spielern genutzt. Nach Einschätzung der Anwohner handelte es sich dabei überwiegend um Erwachsene, die per Auto aus den umliegenden Landkreisen anreisten. An Wochenenden sei der Platz ab dem Vormittag bis in die Abendstunden hinein belegt, mit entsprechender Geräuschkulisse für die unmittelbar am Sportplatz liegenden Wohnungen.

Ziel dieser Gruppe von Anwohnern war, dass der Platz an Schultagen ausschließlich von Schülerinnen und Schülern der Cotta-Schule bis maximal 19 Uhr genutzt werden darf. Diese Regelung galt schon im vergangenen Jahr. Eingehalten wurde sie allerdings nur sehr bedingt. Deswegen wurde auch immer wieder die Polizei gerufen. Mehr als 30 Einsätze sollen es schon gewesen sein.

Stadt spricht von „unzulässiger Nutzung“ nach Schulbetrieb

„Am 29. März wurde im Rahmen eines Treffens des Arbeitskreises Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule, bestehend aus Vertretern und Vertreterinnen des Schulverwaltungsamts, der Nachbarschaft, des Bezirksamts Stuttgart-Ost, der mobilen Jugendhilfe, der Jugendhausgesellschaft, des Gemeinschaftserlebnis Sport und der Hobbyspieler, mitgeteilt, dass die außerschulische Nutzung der Sportfläche künftig nicht mehr möglich sein wird“, teilt die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Als Begründung wird angegeben: „Eine eingehende baurechtliche Überprüfung hat nun ergeben, dass eine Nutzung des Schulsportgeländes außerhalb des Schulbetriebs unzulässig ist.“

Die Lärmproblematik sei schon beim Bebauungsplanverfahren für das Neubauprojekt vor einigen Jahren Thema gewesen, so die Stadt. „Nach intensiver Abwägung kam man damals zu dem Ergebnis, dass der Sportplatz nur im Rahmen des Schulbetriebs und nicht für die außerschulische Nutzung genutzt werden darf und einen Kompromiss darstellte, um dem Schulbetrieb und dem dringenden Bedarf nach Wohnraum nachzukommen.“ In der Begründung zu dem auf der städtischen Webseite einsehbaren Bebauungsplan „Park der Villa Berg – ehemaliger Betriebshof Sickstraße Stuttgart-Ost“ lautet die genaue Formulierung allerdings so: „Die Nutzung des Sportplatzes außerhalb des Schulbetriebes ist durch das heranrückende Wohngebäude zukünftig nur noch eingeschränkt möglich.“ Das klingt dann doch anders, als es nun beschlossen worden ist.

Stadt äußert ihr Bedauern

Die Stadtverwaltung äußert jetzt ihr Bedauern. Das Schulverwaltungsamt stehe mit den Hobby-Basketballspielern der Streetball-Community in Kontakt, „um diesen über eine außerschulische Nutzung eine Turnhalle zur Verfügung zu stellen“. Die Hobbyspieler wiederum beschäftigen sich gerade mit der Gründung eines Vereins, um den Cotta-Platz dann vielleicht doch noch zeitweise mieten zu können.

Der Bezirksbeirat Stuttgart-Ost verurteilt die Eierwürfe, engagiert sich aber weiter für den Platz und die Freizeitsportler. Die SPD in dem Stadtbezirk setzt sich dafür ein, dass der Platz auch außerhalb der Schulzeiten geöffnet wird. „Wer eine Wohnung an einer befahrenen Straße oder eben einem Sportplatz kauft, weiß, worauf er sich einlässt“, wird der SPD-Bezirksbeirat Jörg Trüdinger in einer Pressemitteilung zitiert. „Zumal der Bezirksbeirat Ost vor dem Bau einen einstimmigen Beschluss gefasst hat, dass die öffentliche Nutzung des Platzes gewährleistet bleiben muss.“ Auch die Grünen im Bezirksbeirat wollen, dass der Platz außerhalb der Schulzeiten geöffnet wird.