In keinem anderen Bundesland muss sich eine Fachkraft in der Kita oder in der Krippe um so wenige Kinder kümmern wie in Baden-Württemberg. Doch auch im Südwesten gibt es Nachholbedarf – und es drohen Verschlechterungen.
Gütersloh/Stuttgart - Kindergärten und Krippen in Baden-Württemberg haben bundesweit den besten Personalschlüssel. Das zeigt der neueste Ländervergleich der Bertelsmann-Stiftung zu den frühkindlichen Bildungssystemen, bei dem der Südwesten erneut vorne lag.
In baden-württembergischen Kitas betreute demnach im Jahr 2017 eine Fachkraft 7,1 Kinder ab drei Jahren. Innerhalb von fünf Jahren hat der Südwesten den Experten zufolge den größten Qualitätssprung der Länder gemacht. Im Jahr 2012 war in der Ganztagsbetreuung noch eine Erzieherin für 8,6 Kinder zuständig. Damit sei der Personalschlüssel im Kindergartenbereich sogar besser als es die Experten der Bertelsmann-Stiftung empfehlen. Auch bei den Kindern unter drei Jahren in den Krippen erreicht der Südwesten ein Spitzenverhältnis von 3,1 Kindern pro Fachkraft.
Große regionale Unterschiede
Allerdings zeigen sich deutliche regionale Unterschiede. Väter und Mütter im Kreis Göppingen können davon ausgehen, dass sich in der Krippe statistisch gesehen eine Fachkraft um 2,6 Kinder kümmert, in Mannheim sind es vier Kinder. Auch in den Kindergärten hängt der Personalschlüssel vom Wohnort ab. Im Landkreis Tuttlingen teilen sich 8,4 Kinder eine Erzieherin, in Karlsruhe werden 6,2 Kinder von einer Fachkraft betreut.
Soll überall die gleiche Qualität geboten werden, fehlen der Stiftung zufolge 1141 Fachkräfte im Land, was knapp 51 Millionen Euro im Jahr kosten würde.
Betreuungsgruppen könnten größer werden
Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) will zusammen mit den Kommunen durchaus für mehr Personal sorgen. Im Pakt für gute Bildung und Betreuung sollen jährlich 80 Millionen für Qualitätsverbesserungen fließen. Die Details müssen noch verhandelt werden, aber 1000 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher möchten Land und Kommunen ausbilden. Bis diese jedoch ihre Ausbildung abgeschlossen haben, drohen im Südwesten Verschlechterungen. Eltern müssen sich möglicherweise darauf einstellen, dass die Betreuungsgruppen größer werden.
Die Kommunen drängen darauf, dass sie zwei bis drei Kinder mehr als bisher in den Gruppen aufnehmen dürfen. Eltern lehnen das ab. Roger Kehle, der Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags, hält dagegen: „Zwei, drei Kinder pro Gruppe mehr aufzunehmen ist immer noch besser, als diesen Kindern gar keinen Platz anzubieten.“ Ministerin Eisenmann hält sich heraus: „Darüber müssen die Regierungsfraktionen entscheiden“, sagt sie.
Mehr Zeit für Kitaleitungen verlangt
Nachholbedarf hat Baden-Württemberg nach Einschätzung von Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung, bei der Zeit für die Kindergartenleitung. Nur elf Prozent der Kitas verfügten über ausreichend Leitungszeit. Im Südwesten fehlen demnach 3971 Kitaleiterinnen und -leiter. Würde man sie finden und einstellen, würde das rund 230 Millionen Euro im Jahr mehr kosten.
Dräger regt an, die im Gute-Kita-Gesetz geplante Verteilung von Bundesgeldern für die Verbesserung des Personalschlüssels und für Kindergartenleitungen einzusetzen. Auch sollte die Zahl der betreuten Kinder berücksichtigt werden. „Baden-Württemberg könnte dann in den Jahren 2021 und 2022 jährlich 263 Millionen Euro erhalten“, so Dräger. Das würde 94 Prozent der Kosten des Qualitätsausbaus decken.
Osten hinkt hinterher
Im Vergleich der Bundesländer bleibt auch im neuen Ländermonitoring der Bertelsmann-Stiftung die Kluft zwischen den Ländern bestehen. Überall hat sich zwar die Betreuungsqualität verbessert, doch der Osten hinkt nach wie vor hinterher. Im Osten werden 11,9 Kindergartenkinder von einer Erzieherin betreut, im Westen 8,4. In den Krippen, die im Osten deutlich gefragter sind als im Westen, kümmert sich im Osten eine Fachkraft um sechs Kinder, im Westen um 3,6. Jörg Dräger mahnt: „Ohne bundesweit einheitliche und gesetzlich geregelte Standards bleibt der Flickenteppich bei der Kitaqualität.“ Beitragsfreiheit lehnt der Stiftungsvorstand ab: „Die Qualität der Kitas leidet unter der Beitragsfreiheit“, sagt er.