Ein Gemeindearbeiter mit der Flagge der Volksrepublik Donezk in der gleichnamigen Stadt Foto: dpa/Alexei Alexandrov

Die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine werden seit 2014 von Separatistenführern regiert. Der Krieg macht die Lebensbedingungen hart.

Stuttgart - Der Fluss Donez im Osten der Ukraine ist 1050 Kilometer lang, aber genannt wird er der „Kleine Don“, denn er mündet in den großen Don. Das Donezbecken, auch Donbass, genannt, eine traditionelle Kohleregion, hat wegen der Anerkennung der dort liegenden von der Ukraine abtrünnigen Volksrepubliken Donezk und Luhansk durch Moskau jetzt traurige Bekanntheit erhalten. Seit acht Jahren schwelt mit der Zentralregierung in Kiew ein Krieg, der bereits 14.000 Opfer gefordert haben soll. Die Gründung der beiden Volksrepubliken fußte auf Referenden, die russische Separatisten dort trotz internationaler Kritik im Jahr 2014 organisiert hatten. Ihre Ergebnisse – eine Mehrheit für die Unabhängigkeit – sind höchst zweifelhaft.

 

Rund vier Millionen Einwohner

Rund vier Millionen Menschen sollen in den beiden Volksrepubliken leben, die sich um die Städte Donezk (eine Million Einwohner) und Luhansk (400.000 Einwohner) gruppieren. Beide Republiken hatten sich früh auf eine Union unter dem Namen Neurussland vereint, die sie später in „Kleinrussland“ umwandelten. Beide Gebiete zusammengezählt machen ungefähr eine Fläche von 17.000 Quadratkilometern aus, was in etwa der Größe von Thüringen entspricht.

Einst als Herz von Sowjet-Russland gepriesen

Laut Völkerrecht gehören beide Gebiete zum Staatsgebiet der Ukraine, kein Staat der Welt hat sie jemals anerkannt – abgesehen von Süd-Ossetien, eine von Georgien abgespaltene Region, die selbst auch noch keine Anerkennung erfahren hat. Seit Montag ist das anders: Russlands Staatspräsident Wladimir Putin hat die beiden Volksrepubliken staatlich anerkannt, nachdem er zuvor in einer Rede den Osten der Ukraine als „historisch russisches Gebiet“ bezeichnet hatte. Auch in alten Karten von 1921 wird das Donezbecken mit der Kohleförderung als „Herz von Sowjet-Russland“ gepriesen.

Zwei Republiken, zwei Staatsoberhäupter

Angeführt werden die beiden Volksrepubliken von Leonid Passetschnik (Luhansk), einem früheren Mitarbeiter des ukrainischen Geheimdienstes SBU, sowie von Denis Puschilin (Donezk), der vor seiner Politikerkarriere bei einer russischen Aktiengesellschaft volontierte, die durch ein Schneeballsystem viele Anleger um ihr Erspartes gebracht haben soll. Beide Staatsoberhäupter hatten die Anerkennung durch Moskau erbeten. Puschilin sprach am Montag von einer „historischen Stunde“. Ganz überraschend ist die Anerkennung im übrigen nicht erfolgt, denn schon 2017 hatte Russland die Reisepässe der beiden Volksrepubliken als gültig anerkannt und sie bei Reisen akzeptiert. Abgesehen davon soll Russland im Laufe der Jahre Hunderttausende von russischen Pässen in den beiden Gebieten ausgegeben haben.

Harte Lebensbedingungen

Laut Berichten von Korrespondenten in der Ukraine sind die Lebensbedingungen in den Volksrepubliken hart. Ein BBC-Reporter hat kürzlich beschrieben, unter welchen Mühen die 65-jährige Rentnerin Larysa aus Donezk beim Checkpoint Novotroitski aus der Volksrepublik in die Ukraine wechselte. Sie tue das alle sechs Monate wegen einer Krebsbehandlung. Viele Reisende am Übergang pilgerten auf ukrainisches Gebiet, um dort ihre Staatsrente abzuholen. Anfangs hatte die Ukraine noch Löhne, Kindergeld und Renten in die Separatistengebiete geschickt. An der 450 Kilometer langen Grenze zwischen Ukraine und Volksrepubliken soll es sieben Übergänge gegeben haben. Ihre Zahl zu erhöhen hatte der Russische Sender Russia-TV kürzlich der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Ukraine-Besuch vorgeschlagen, verbunden mit einer Einladung in die Volksrepubliken. Mit der anschwellenden Kriegsgefahr und der beginnenden Evakuierung von Menschen aus den Volksrepubliken nach Russland – angeblich wegen drohenden Angriffen aus der Ukraine – dürfte es fraglich sein, ob die Übergänge offen bleiben.

Durchschnittslöhne von 170 Euro

Der MDR-Reporter Denis Trubetskoy hatte 2021 vom harschen Leben in den Volksrepubliken berichtet und dazu Emigranten in Kiew interviewt. Das Durchschnittsgehalt in Donezk liege bei rund 170 Euro, Jobs gebe es nur beim Staatsdienst. Bei der Armee und in den meist verstaatlichten Kohlebergwerken werde etwas besser gezahlt, als Bergarbeiter verdiene man 250 Euro, allerdings werde nicht immer der ganze Lohn ausgezahlt und oft auch nicht jeden Monat sondern nur einmal im Quartal. Es gelte in Donezk die Moskauer Zeit, nicht die Kiewer Zeit, das Zahlungsmittel sei der russische Rubel nicht die ukrainische Währung Hrywnja. Die öffentliche Infrastruktur sei marode, der Empfang oder das Senden von Postpaketen gehe nicht. Finanzielle Transaktionen seien problematisch, die meisten Bewohner hätten eine ukrainische und eine russische Bankkarte. Gegen Gebühren zahlen Vermittler, die Zugriff auf Konten haben, Bargeld aus. Die Jugend aber ärgere sich am meisten über die Sperrstunde von 23 Uhr, die seit 2014 gilt. Trubetskoys Analyse: „Der Alltag in den Volksrepubliken bleibt ein Hindernislauf.“