Markus und Simone Maurer müssen sich schweren Herzens von Betten Leonhardt trennen. Foto: factum/Granville

Betten Leonhardt schließt nach 134 Jahren seine Türen – und die Inhaber sparen nicht mit Kritik an der Stadt. Doch auch von anderen Geschäften in Sindelfingen und Böblingen müssen sich die Kunden verabschieden.

Sindelfingen/Böblingen - Einige Regale bei Betten Leonhardt sind bereits leer, doch die Kunden strömen jetzt unverdrossen in den Fachhandel für Betten, Wäsche und Frottierwaren. Bevor das Sindelfinger Traditionsgeschäft endgültig die Türen schließt, suchen sie noch Schnäppchen. „Wären sonst auch so viele Kunden gekommen, müssten wir nicht schließen“, sagt Markus Maurer, der gemeinsam mit seiner Frau Simone den Laden führt.

Betten Leonhardt ist eines der ältesten Einzelhändler in Sindelfingen. Wilhelm Heinrich Leonhardt hat es 1885 in der Planiestraße 12 gegründet. „Meine Großmutter stand noch mit 90 Jahren im Laden“, erinnert sich Maurer. Auch er und seine Frau hatten sich vorgestellt, mindestens bis ins Rentenalter dort die Kunden zu beraten und das Geschäft an die Tochter zu übergeben. „Unsere Existenz geht verloren; unsere Lebensplanung war eine ganz andere“, sagt Simone Maurer. Mit 53 Jahren muss sich die Textilbetriebswirtin nun eine neue Arbeit suchen. Seit fünf Jahren schon denkt das Ehepaar darüber nach, den Laden zu schließen, da sie „nur noch drauf zahlen“. Auch eine Renovierung und Vergrößerung des Ladens im Jahr 2002 brachte nicht den gewünschten Erfolg.

Von den Kunden hören die Maurers, wie sehr sie es bedauerten, dass der Laden schließe. Schließlich wurden sie bei Betten Leonhardt gut beraten und konnten dort auch Betten reinigen und Kissen individuell befüllen lassen. Doch das Kaufverhalten der jüngeren Generation hat sich geändert.

Kritik an Wirtschaftsförderung und City-Marketing in Sindelfingen

Es gibt viele Gründe, warum der Laden nicht mehr läuft – sei es die Konkurrenz des Internets oder die der großen Einkaufszentren. Das Ehepaar Maurer übt jedoch auch Kritik an der Wirtschaftsförderung und dem City-Marketing der Stadt. „Dort schmückt man sich mit dem Breuningerland oder mit der Erschließung des Flugfeldes – für uns Einzelhändler in der Innenstadt interessiert sich keiner“, sagt Maurer.

Dem widerspricht Sascha Dorday, der Chef der Wirtschaftsförderung der Stadt, vehement: „Wir haben einen starken Fokus auf die Einzelhändler in der Innenstadt gerichtet.“ So habe man beispielsweise ein reges Veranstaltungsmanagement und mit Verschönerungsmaßnahmen an Planiedreieck und neuer Beleuchtung in der Ziegelstraße für mehr Attraktivität gesorgt. Doch auch Veranstaltungen wie die verkaufsoffenen Sonntage, die früher zahlreiche Kunden zu Betten Leonhardt brachten, funktionierten zuletzt nicht mehr. „Seit das Breuningerland beim verkaufsoffenen Sonntag mitmacht, kommen keine Kunden mehr zu uns – Shuttleservice hin oder her“, sagt Simone Maurer. Dorday betont jedoch, dass die Ausweitung des verkaufsoffenen Sonntags auf den Sindelfinger Osten auch auf Wunsch des Gewerbe- und Handelsvereins geschah. „Dadurch haben wir eine Strahlkraft über die Stadt hinaus bekommen.“

Uhrenstub-Inhaber sucht neuen Laden

Auch Erwin Weyel hofft auf die Unterstützung der Stadt. Im März muss er aus seinem Laden in der Sindelfinger Gartenstraße ausziehen, doch er will seine Uhrenstub weiterführen. Nun sucht der 72-Jährige einen anderen Laden, in dem er antike Uhren verkaufen und Reparaturen anbieten kann. Bereits seit 35 Jahren betreibt der frühere Medizintechniker das Uhrengeschäft, in dem er auch Kunst ausstellt. „Große Gewinne kann man mit den Uhren nicht machen“, räumt er ein. Doch er wolle seine Stammkunden nicht im Stich lassen. „Die Freude bei den Kunden ist groß, wenn ich ein Familienerbstück reparieren kann.“ Er hat sogar einen offenen Brief an Oberbürgermeister Bernd Vöhringer geschrieben. Weyel hofft darauf, dass die Stadt ihn bei seiner Suche nach einem kleinen, bezahlbaren Laden behilflich ist. „Schließlich steht der ein oder andere Laden leer“, meint Weyel. „Die Leerstandsquote in Sindelfingen ist niedrig“, widerspricht ihm Dorday. Doch man sei in Gesprächen mit Eigentümern, um einen passenden Laden für Weyel zu finden.

Elektrorad-Fachgeschäft eZee findet keinen Nachfolger

Auch in Böblingen müssen sich die Kunden von lieb gewonnenen Läden verabschieden. Nachdem Ende des vergangenen Jahres bereits Fahrrad-Jaiser schließen musste, folgt nun das Elektrorad-Fachgeschäft eZee in der Berliner Straße. Der Inhaber Gustav Maurer möchte in den Ruhestand gehen. Bis vor kurzem sah es noch danach aus, als würde es einen Nachfolger für das gut laufende Geschäft geben. Doch dieser sprang überraschend ab – die Bank spielte wohl nicht mit. „Eigentlich war schon alles geregelt“, sagt Gustav Maurer betrübt. Zwei Jahre lang hat er nun schon einen Nachfolger gesucht – vergeblich. Er will nicht länger mit dem Ruhestand warten. „Ich möchte mehr Zeit zum Fahrradfahren haben“, sagt der 64-Jährige.

Dominic Schaudt, der Leiter des Liegenschaftsamts und der Wirtschaftsförderung der Stadt Böblingen, bedauert, dass ein weiteres beliebtes Geschäft schließt. Er ermuntert die Händler, mit ihm oder der City-Managerin das Gespräch zu suchen, wenn Probleme auftauchen. „Grundsätzlich sind wir in Böblingen aber gut aufgestellt mit vielen inhabergeführten Geschäften“, sagt Schaudt. Auch in Böblingen setze man auf Veranstaltungen, die die Innenstadt beleben sollten: „Sowohl von Kunden, als auch von den Händlern erhalten wir darauf eine positive Resonanz.“