Mit Pauken und mehr ziehen Andreas Köder und seine Mitstreiter von der Band XS-Excess hier durch Aspach-Rietenau. Foto: Edgar Layher

Ganz in Schwarz und am liebsten in Lack und Leder – wenn die Mitglieder des Backnanger Vereins XS-Excess in der Faschingszeit durch die Straßen ziehen, fallen sie auf. Auch ihr Song-Repertoire unterscheidet sie von anderen Blasmusik-Bands. Am 15. Februar kann man sie in Althütte sehen und hören.

Backnang - Der Reißverschluss unter dem Auge ist sein Markenzeichen. Dieser sei natürlich angeklebt, nicht angenäht, versichert Andreas Köder, der durchaus schon Menschen getroffen hat, die ihm das nicht so recht glauben wollten. Ihm und den übrigen Mitgliedern des Vereins XS-Excess traut man offenbar so einiges zu. Kein Wunder, schließlich handelt es sich bei dem im Jahr 2009 gegründeten Backnanger Verein um eine Guggenmusik-Gruppe der besonderen Art.

Während andere Musikformationen dieser Sparte fast durchweg kunterbunt gekleidet durch die Straßen ziehen, tragen die Backnanger ausschließlich Schwarz, am liebsten Lack und Leder. Das, ergänzt durch Gesichter, auf deren Wangen Reißverschlüsse und Zahnräder prangen, verleiht den Guggenmusikern einen gewissen Gruselfaktor. Er sei sogar schon verdächtigt worden, eine Sekte gegründet zu haben, erzählt Andreas Köder amüsiert und berichtet, im Vorfeld eines von seinem Verein organisierten Guggenmusikertreffens sei das Gerücht umgegangen, er werde am Abend der Veranstaltung lebenden Hühnern die Köpfe abbeißen. Das war zwar nicht der Fall, das Festival aber dennoch ein voller Erfolg.

Das Vereinslogo ist ein pinkfarbener Hasenschädel

Andreas Köder, im normalen Leben Sanitär- und Heizungsfachmann, sitzt in seinem Büro, am Leib ein schwarzes T-Shirt, das rechts mit der Aufschrift XS-Excess verziert ist. Links auf Köders Brust prangt das Vereinslogo: ein Totenkopf in Pink. Die Farbwahl, ergänzt durch ein Paar Hasenohren, das neckisch aus dem Schädel nach oben ragt, lässt den Verdacht aufkommen, dass die Gothic-Guggenmusiker sich selbst nicht wirklich tierisch ernst nehmen. „Eigentlich gilt bei unseren Auftritten ein Lachverbot, aber das klappt nicht so richtig“, gibt Andreas Köder zu.

Aufgabe des Vereinsvorstands alias „Schefe“ ist es unter anderem, die derzeit knapp 30-köpfige Truppe bei Umzügen anzuführen. Wenn das Publikum am Straßenrand keinen Bock habe, sagt der 53-Jährige, „dann renne ich rein, sodass sie aus Angst klatschen“. Für das Vereinsmotto „Blasen und Schlagen“ ist der Rest der Truppe zuständig, seine Instrumente, Saxofon und Trompete, lässt Andreas Köder mittlerweile daheim. Zum musikalischen Repertoire gehören rund zehn Rock-, Punk- und Metal-Songs, zum Beispiel „Ohne dich“ von Rammstein, „Alive“ von Meat Loaf oder „Self Esteem“ von The Offspring. „Die Mitglieder dürfen Songs vorschlagen, entscheiden tu dann ich“, erklärt Andreas Köder das Verfahren.

Guggenmusik ist nicht gleich Guggenmusik

Sohnemann Mark Lachenmaier, zweiter Vorstand, trägt es mit Fassung. Sein Vereinsbeitritt vor gut zehn Jahren war halbfreiwillig. „Die Eltern waren viel unterwegs“, sagt der 24-Jährige. Um sie ab und an zu sehen, sei er auf folgende Lösung gekommen: „Ich habe mir willkürlich ein Instrument, das Euphonium, ausgesucht und mir das Spielen beigebracht.“

Von da an war er mit dabei bei den Auftritten der Guggenmusiker. Für letztere beginnt die Saison im November – ab diesem Datum wird jeden Freitag fleißig geprobt, wobei gut die Hälfte der Bandmitglieder aus dem Großraum Stuttgart anreist. Einer nimmt gar eine 2,5-stündige Anfahrt aus dem Kreis Sigmaringen auf sich. „Guggenmusik ist nicht gleich Guggenmusik. Es gibt verschiedene Richtungen“, erklärt Andreas Köder, „wir spielen eher die gepflegte Art.“

Knappe Mieder und großes Dekolleté

In der Riege der Bands ordnet der Schefe die Musikerinnen und Musiker von XS-Excess in der „mittleren Oberliga“ ein. Der Bandname, der sich von der kleinsten Konfektionsgröße und dem Wort Exzess ableitet, zeigt: Von ganz klein bis ausschweifend ist alles möglich. „Das gibt große Freiheit“, sagt Andreas Köder, „wir wollen andere Wege gehen.“ Zum Glück seien Guggenmusiker tolerante Menschen und hätten kein Problem mit Exoten, auch nicht, wenn sie Lack und Leder und im Falle der weiblichen Vereinsmitglieder gerne mal knappe Mieder und großes Dekolleté tragen: „Wir sind gleich gut aufgenommen worden.“

Zu tun hätte die Band genug – aber vielen fehlt es an Zeit. So sind aus den anfangs 40 bis 50 Auftritten pro Faschingssaison mittlerweile um die 20 geworden. Weil die Guggenmusiker-Szene weit verstreut ist, müssen die Backnanger oft lange Wege fahren. Vor der Abfahrt kommt aber die Maske. Die verpasst Andreas Köder den männlichen Musikern in seiner Garage, die Mädels müssen sich selbst schminken. Pro Person brauche er rund 20 Minuten, berichtet Köder: „Wenn der Bus um 7 Uhr fährt, heißt das schon mal um 4 Uhr früh loslegen.“ Versuchsweise hat er das Make-up auch schon am Abend zuvor aufgebracht und die schwarz-weiße Pracht mit Haarlack versiegelt: „Da haben wir mit steifem Gesicht geschlafen.“

An Aschermittwoch ist dann alles vorbei. Das ist der Tag, an dem die Stunde von Andreas Köders Kunden schlägt. „Die Leute wissen, dass sie bis Aschermittwoch warten müssen, wenn ihre Heizung nicht funktioniert. An dem Tag rufen sie dann alle schon um 8 Uhr an.“

Nachwuchs gesucht

Auftritte:
Wer XS-Excess in Aktion erleben möchte, hat in den nächsten Wochen auch im Rems-Murr-Kreis mehrmals die Gelegenheit dazu: am 15. Februar beim Umzug in Althütte, Beginn 14.31 Uhr. Am 22. Februar treten die Guggenmusiker in Murrhardt beim Nachtumzug auf, am 25. Februar sind sie beim Umzug in Sulzbach zu sehen.

Mitmachen:
Der Verein freut sich über Neuzugänge, auch Anfänger sind willkommen. Dringend gesucht wird zudem ein Schlagzeuger. Geprobt und gefeiert wird von November bis Aschermittwoch.