Für Julianna Herzberg und ihr Baby ist das La Lune nicht nur Theater, sondern auch eine Art Wohnzimmer. Foto: Ina Schäfer

Mittags Suppenbar, abends Theater: Julianna Herzberg verbindet im La Lune in Stuttgart-Ost zwei Leidenschaften. Zu jeder Aufführungen gibt es die passende Suppe für die Gäste.

S-Ost - Julianna Herzberg huscht durch die Tischreihen. Sie begrüßt die Gäste, nimmt Bestellungen entgegen und balanciert Teller in Richtung Küche. Das kleine Theater an der Haußmannstraße 212 ist an diesem Mittag gut besucht. Die Gäste kommen jedoch nicht, um sich Darbietungen von Künstlern anzusehen – sondern um Suppe zu essen.

Mittags Suppe essen, abends dann Aufführungen besuchen

La Lune, so heißt das Theater in der Nähe des Ostendplatzes, bietet abends Kultur und mittags wechselnde Suppen. An diesem Mittag wird eine Lauch-Kartoffelsuppe serviert. Julianna Herzberg hat das La Lune im Dezember 2012 eröffnet. Träger ist ein gemeinnütziger Verein, der derzeit etwa 15 Mitglieder zählt. Während der Mittagszeit sitzen die Gäste an Tischen im Zuschauerraum, aber auch auf der Bühne oder im Nebenzimmer, während Veranstaltungen fassen die Räumlichkeiten etwa vierzig Besucher. Auf den Tischen stehen Vasen mit Tulpen in allen Farben, von der Decke hängt ein schön kitschiger pinkfarbener Kronleuchter. Im Hintergrund dringt leise Jazzmusik aus Lautsprechern. Früher war dort eine Bäckerei untergebracht, bis Julianna Herzberg auf diesen vernachlässigten Jugendstil-Traum aufmerksam geworden ist. Mit ihrem Ehemann hat sie den Laden renoviert, Equipment bei Theatern gesammelt und Möbel vom Flohmarkt.

Ein Reisetagebuch hat sie zu ihrem Stück inspiriert

Julianna Herzberg ist bis zu ihrem 14. Lebensjahr in Deutschland aufgewachsen und dann nach Frankreich umgezogen. Später hat sie Schauspiel in Avignon und Rostock studiert und ein Stück geschrieben, das ihr bis heute besonders am Herzen liegt. „Reise nach Jerusalem“ heißt es und behandelt den Nahost-Konflikt. Es basiert auf einem Reisetagebuch, das die 35-Jährige im August 2006 während des 33-Tage-Krieges geschrieben hat. Sie war damals im Dorf Bine in Nordgaliläa bei einer Gastfamilie untergebracht, hat Bombenangriffe, Waffenstillstand und das Ringen um Frieden hautnah miterlebt. „Reise nach Jerusalem“ ist ein Einpersonen-Stück auf Französisch und Deutsch, das sie selbst spielt. Sie war damit schon in Kanada, Frankreich und Deutschland unterwegs, nach ihrem Umzug nach Stuttgart auch auf ihrer eigenen Bühne im La Lune.

An anderen Abenden sind Musiker. Schauspielensembles und Autoren zu Gast. Aus dem Ausland, aus ganz Deutschland, vor allem aber aus Stuttgart. Die Hauptsache sei, dass die Qualität stimmt. „Die Veranstaltungen müssen professionell sein. Ich möchte aber keinen Mainstream zeigen, sondern kleine, freie Sachen. Stücke und Künstler, die ich wichtig finde“, sagt sie.

Die Suppe muss zu den Darbietungen auf der Bühne passen

Und auch abends spielt das Thema Suppe eine zentrale Rolle: Zu jeder Aufführung gibt es eine passende Suppe, die Besucher und Künstler davor gemeinsam an einer großen Tafel zu sich nehmen.

Weshalb sie ausgerechnet auf die Suppe gekommen ist? „Ich liebe Suppen!“, sagt sie und lacht. „Als ich in Dresden gelebt habe, gab es solche Bars an jeder Ecke. Mit wenig Aufwand bekommt man etwas Besonderes für Leib und Seele.“ In Stuttgart habe so etwas definitiv noch gefehlt.

Langfristig, sagt Julianna Herzberg, möchte sie die mittägliche Suppenküche abgeben, damit sie sich mehr auf den kulturellen Abendbetrieb konzentrieren könne. Außerdem gibt es da noch ein kleines Baby. Mit seinen zehn Monaten schon jetzt ein fester Bestandteil ihres La Lune. Während sie an diesem Mittag die Gäste bedient, ist der Nachwuchs auf den Rücken geschnallt und immer mit dabei. „Das ist unser Wohnzimmer“, sagt Julianna Herzberg lachend. Manchmal passen auch die Gäste im Raum kurz auf ihr Baby auf, viele sind Stammgäste und kommen aus der Nachbarschaft hierher. Rentnerehepaare genauso wie Studenten, die hier ihre Suppe löffeln und auf die nächste Klausur lernen. In einem großen Bücherregal befindet sich außerdem allerhand Lesestoff für die Zerstreuung.

Gegen 14 Uhr wird es etwas ruhiger, die meisten Gäste haben ihre Suppe schon gegessen und sind beim Kaffee angelangt. Für die Nachzügler, die jetzt noch ins La Lune kommen, wird der Topf aber einfach noch einmal warm gemacht.