Die Schüler der Immanuel-Kant-Realschule haben an der KZ-Gedenkstätte am US-Airfield fotografiert. Foto: Fatma Tetik

„Dass hier Menschen sterben mussten, nur weil sie jüdisch waren, macht mich sprachlos.“ Schüler der Immanuel-Kant-Realschule Leinfelden nehmen an einem Fotoprojekt zur Geschichte des Nationalsozialismus teil.

Bernhausen - Regen und eisiger Wind peitscht den Jugendlichen ins Gesicht, während sie mit zittrigen Händen Kerzen anzünden, die sie an der KZ-Gedenkstätte am US-Airfield ablegen. Bei der Schülergruppe handelt es sich um Neuntklässler der Immanuel-Kant-Realschule (IKR). Die Klasse nimmt an einem grenzübergreifenden Fotoprojekt teil, bei dem sich deutsche und französische Schüler mit der Geschichte des Nationalsozialismus und seinen Auswirkungen an ihrem Wohnort vertraut machen und fotografisch festhalten sollen.

Die Bilder werden anlässlich des Holocaust-Gedenktages im Januar 2018 in einer Wanderausstellung zum Konzentrationslager Natzweiler gezeigt. Das KZ am Flughafen Echterdingen, welches auf Bernhäuser Gemarkung liegt, war eines von vielen Außenstellen des Stammlagers in Natzweiler. 1944 mussten dort 600 jüdische Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen Zwangsarbeit verrichten. Mindestens 119 Männer überlebten diese Tortur nicht. Seit 2010 erinnert die Gedenkstätte am US-Airfield an die Opfer der Nazi-Ideologie.

Die Jugendlichen wollen ihre Anteilnahme ausdrücken

„Dass hier Menschen sterben mussten, nur weil sie jüdisch waren, macht mich sprachlos“, sagt der 15-jährige Ioannis, der mit seinen Freunden Alexander und Kenan vor der Gedenktafel steht. Krieg, Nationalsozialismus, Hitler – all dies sei bislang Stoff für den Geschichtsunterricht gewesen, der nicht allzu greifbar schien. Nun stehen die Schüler mit steinerner Miene an der Gedenkstätte und legen rote Rosen an der grauen Wand ab. Alexander macht ein Foto davon. „Rosen sind für uns ein Zeichen von Trauer, aber auch von Liebe“, erklären die Schüler. Mit diesem Fotomotiv wolle man Anteilnahme ausdrücken, sagen sie. Nebenan beschriften unterdessen zwei Mädchen ihre Unterarme. „303 Benjamin“ steht auf dem Arm der einen, „Nie wieder“ prangt in schwarzen Lettern vom Arm der anderen Schülerin. Bei der Zahl handelt es sich um die Gefangenennummer eines KZ-Häftlings, der auf den Unterarm tätowiert wurde.

Neben der KZ-Gedenkstätte besuchen die Schüler noch weitere geschichtsrelevante Orte für das Fotoprojekt, darunter die Gedenkstätte im Bernhäuser Forst, den jüdischen Teil des Ebershaldenfriedhofs in Esslingen und das KZ-Hauptlager Natzweiler-Struthof.

Das Interesse des Lehrers hat einen persönlichen Grund

Was es heißt, aufgrund von Hautfarbe oder Religion angefeindet oder diskriminiert zu werden, mussten viele der Schüler selbst am eigenen Leib erfahren. „Ich bin schon oft blöd angemacht worden, weil ich als Deutscher eine schwarze Hautfarbe habe“, schildert der 15-jährige Alexander. Mehr denn je sei es daher wichtig, seine Stimme gegen Rechtspopulisten und ausländerfeindliche Gruppierungen zu erheben, finden die Teenager.

Die Teilnahme der Realschule an dem Projekt, das auf die Ecole ORT (Organisation Reconstruction Travail) in Strasbourg zurückgeht, hatte das Stadtarchiv L.-E. angeregt. Nach Rücksprache mit Schülern und Eltern, sagte der Lehrer Martin Klein die Teilnahme an dem Projekt zu. Das Interesse des Lehrers kommt nicht von ungefähr. Klein ist Geschichtslehrer am IKR, hat aber auch einen ganz realen Bezug zum Nationalsozialismus. Seine Großväter spielten eine Rolle im Zweiten Weltkrieg. Während der Großvater an der Ostfront für die Nazis kämpfte, stellte sich der andere aktiv gegen Hitler und sein Gefolge. „Es ergibt keinen Sinn, die Augen vor der Vergangenheit zu verschließen. Man muss sich mit ihr auseinandersetzen, damit so etwas nie wieder passieren kann“, sagt Klein.