Tim Bendzko beim Auftritt am Dienstag im Beethovensaal Foto: Lichtgut/Christoph Schmidt

Bei seinem Auftritt in der ausverkauften Stuttgarter Liederhalle begeistert Tim Bendzko gut zweitausend Besucher mit einer Show, die im positiven Sinne nicht hält, was ihr Titel suggeriert.

Stuttgart - Ob denn jemand Lust habe, auf die Bühne zu kommen, fragt Tim Bendzko nach rund einer halben Stunde in den Beethovensaal hinein. Gleich eine ganze Reihe der zweitausend Besucher erhebt sich daraufhin von ihren Plätzen – und setzt sich recht schnell wieder, als es darum geht, mit dem Gastgeber sein Lied „Wenn Worte meine Sprache wären“ zu singen. Aber noch immer bleiben gut drei Dutzend Freiwillige übrig.

Nun denn also. Bis ins hintere Drittel schlendert Bendzko durchs Parkett, um sich schließlich eine gewisse „Peppa“ auszusuchen. Eine gute Wahl: Etwas unsicher stakst die Dame zwar auf die Bühne, performt dann aber – potz Blitz! – so stimmvolumenstark, dass man sich fragt, ob sie das nicht öfter mal macht und womöglich sogar . . . Aber nein, derart würde ein netter Junge wie Tim Bendzko sein Publikum doch nicht hinters Licht führen.

Oder etwa doch? Ein halbes Stündchen später – man ahnte es schon – entpuppt sich das vermeintliche spontane Intermezzo prompt als wohlgeplanter Teil der Show und die inzwischen bühnentauglich gewandete Peppa als Mitglied von Bendzkos Band. Dies sei die einzige Möglichkeit, seiner Begleitsängerin einmal die gebührende Aufmerksamkeit zu gewähren, entschuldigt Bendzko seinen kleinen Taschenspielertrick – und verscheucht so charmant den Hauch an Missmut, der sich darob im Saal auszubreiten droht.

Auch in etlichen weiteren Conférencen zeigt sich der 33-jährige Berliner als durchaus gewitzte Bühnenpersönlichkeit. Zwar schleichen sich manche Gags mit zwei Halbsätzen Vorwarnzeit heran, aber Bendzko besitzt Charme und ein gutes Gespür für ein stimmiges Timing.

An der exakt richtigen Stelle platziert er auch jene Sollbruchstelle, die einen etwas selbstergriffenen Abend in ein flottes Popkonzert verwandelt. Zunächst nämlich gibt sich Bendzko vollständig als Teil der neuen deutschen Songwriterszene, die sich derzeit mit sanften Sehnsuchtsliedern durch das diffuse Lebensgefühl ihrer Adoleszenz singt. Brave Befindlichkeitspoesie kennzeichnet diese Songs, die im Beethovensaal übrigens anders daherkommen, als es das Motto des Abends suggeriert. Zum vierten (und auch letzten) Mal als „Wohnzimmerkonzerte“ sind diese 2018er-Auftritte deklariert – das deutet auf Intimität und eventuell sogar eine reduzierte Gangart im Stil der „MTV Unplugged“-Konzerte hin. Doch nichts davon trifft auf diesen Auftritt zu. Mit nur zwei Stehlampen als festen Requisiten bleibt das Ambiente ziemlich lieblos, das weitere Interieur wird lediglich auf Stellwänden anskizziert.

Auch musikalisch geht es gewohnt konventionell zu: Mit gefällig elektrifizierten Sounds schmeichelt sich der Abend melodienselig über bedeutungsschwere Balladen in wohltemperierte Midtempobereiche hinein, scheut dabei aber rund eine Stunde lang jegliche Ecken, Kanten und Tempowechsel. Gerade noch rechtzeitig bringen dann ein Medley mit Evergreens von Westernhagen und Grönemeyer, mit Lenas „Satellite“ und Britney Spears’ „Oops, I did it again“ sowie eine flotte Version von Bendzkos Hit „Nur noch kurz die Welt retten“ Schwung in den Laden: ungewohnte Töne für den sensitiven Feingeist Bendzko, die aber ihre Wirkung nicht verfehlen. Danach: nochmals eine gute Stunde Partystimmung, mit teils überraschend tanzbaren Klängen eines Künstlers, der sich so langsam aus dem Schneckenhaus einer bisher allzu explizit inszenierten Innerlichkeit herauszutrauen scheint.