Der Bund will das Geld für Sprachkurse für Geflüchtete stark reduzieren. Die Stuttgarter Träger und die Stadt schlagen Alarm. Für viele der betroffenen Zuwanderer werde die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt erschwert oder unmöglich gemacht.
In den vergangenen Jahren waren die Bedingungen gut: Geflüchtete, die einen Sprachkurs belegen mussten oder wollten, bekamen einen. „Wir mussten nie Leute abweisen“, sagt Gari Pavkovic, der Integrationsbeauftragte der Stadt Stuttgart. Doch die Verhältnisse ändern sich, der Bund hat angekündigt, die Mittel für die Kurse stark zu kürzen. Die Ausgaben sollen von bisher 1,1 Milliarden Euro auf 500 Millionen Euro mehr als halbiert werden. „Das wäre total kontraproduktiv“, erklärt Gari Pavkovic. Es sei allemal besser, in Integration durch Sprache und Bildung zu investieren als in Sozialtransferleistungen. „Nichtintegration ist wesentlich teurer.“
Stadt registriert steigende Teilnehmerzahlen
In Stuttgart gibt es insgesamt 16 Sprachkursträger, die dafür sorgen, dass ein ausreichendes Angebot vorhanden ist. „Der Bedarf ist da, wir hatte die Kurse immer voll“, sagt Ahmet Göksu, er ist Geschäftsführer bei Henke Schulungen. Die Stadt Stuttgart stellt sogar „wachsende Teilnehmerzahlen als vor einem Jahr in Integrationskursen“ fest. Auch Ahmet Göksu hält die Pläne des Bundes deshalb für widersinnig. So wird es zwar noch den 700 Schulstunden umfassenden Sprachunterricht im Rahmen der Integrationskurse geben. Gestrichen wurden aber bereits die Wiederholerkurse mit weiteren 300 Stunden, die bisher draufgesattelt werden konnten, wenn jemand die Prüfung auf B1-Niveau des Integrationskurses im ersten Schritt nicht erreicht hatte.
Das waren auch in Stuttgart keineswegs wenige Menschen. Im Jahr 2024 haben hier rund 8000 Personen an den Deutschkursangeboten des Bundes teilgenommen, neben Integrationskursen auch an Berufssprachkursen. Im Schnitt bestanden 60 Prozent der Prüfungsteilnehmer den Test, 40 Prozent aber nicht. Diese Betroffenen hätten jetzt „keine Anschlussmöglichkeit mehr“ an den Integrationskurs, sagt Ahmet Göksu. Alleine bei Henke Schulungen liefen jedes Jahr vier bis fünf solcher Wiederholerkurse, das sind bei jeweils 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bis zu 100 Personen. Für die gibt es bald gar keinen Anschluss mehr an einen missglückten ersten B1-Test. Denn zugleich fallen auch die berufsbezogenen Sprachkurse zum A2-, B1 und C1-Niveau weg. Dies gilt überdies für Jugendintegrationskurse sowie für Frauenteilzeitkurse, die auch von vielen ukrainischen Frauen mit Kindern besucht werden.
Für viele Geflüchtete gebe es damit keine Chance mehr, „das B1-Sprachniveau überhaupt noch zu erreichen“, erklärt Ahmet Göksu. „Nachhaltige Integration ist damit nicht mehr gegeben“. Das gilt für den Arbeitsmarkt genauso wie für die gesellschaftliche Integration in Deutschland. Wer einen nachhaltigen Job mit einer qualifizierten Tätigkeit finden wolle, erreiche das „nicht ohne B1“, sagt Carola Piretzi, Bereichsleiterin beim Verein für internationale Jugendarbeit VIJ, der ebenfalls Sprachkurse anbietet. „Eine soziale und berufliche Teilhabe ist dann kaum mehr möglich“, betont Piretzi. Zumal ohne diese Sprachkenntnisse für viele ein unbefristeter Aufenthaltstitel oder gar eine Einbürgerung in weite Ferne rückt. Auch Gari Pavkovic sagt: „Wir wollen, dass Geflüchtete arbeiten – dafür sind gute Deutschkenntnisse wichtig.“
Einsparung setzt Kursträger unter Druck
Aber nicht nur für die betroffenen Geflüchteten sind die Einsparungen ein Problem. Auch der Druck auf die Sprachkursträger und deren Personal wächst. Bei einer Reduktion des Kursangebots um gut die Hälfte hat das Folgen für deren Beschäftigte. So hat Henke Schulungen laut ihrem Geschäftsführer zehn Festangestellte und 20 bis 25 Honorarkräfte. Insbesondere für die Honorarkräfte werde es „keine oder nicht mehr regelmäßig Aufträge geben“, erklärt Ahmet Göksu.
Deshalb haben sich die Sprachkursträger mit einem Schreiben an die Stuttgarter Bundestagsabgeordneten gewandt. Studien hätten gezeigt, dass „Integrationskurse das zentrale und leistungsstarke Instrument für die Integration von Zugewanderten“ seien. Die geplanten Kürzungen „drohen jedoch, die Erfolge der vergangenen Jahre zunichte zu machen“. Auch die Stadt Stuttgart hat in einer Stellungnahme an den Deutschen Städtetag ihre „Besorgnis“ über die Pläne des Bundes geäußert. Durch die Streichung von Wiederholungskursen werde den Menschen „das Abschlussziel und weitere Integrationsschritte verwehrt“. Damit werde es zu „langen Wartezeiten“ und zu einer „erheblichen Verzögerung“ der Integrationsprozesse kommen. Dies gelte insbesondere auch für Frauen mit Kindern und für Jugendliche, für die mangels Schulplätzen in Vorbereitungsklassen die Jugendintegrationskurse „von hoher Bedeutung sind“. Die beabsichtigen Kürzungen sind aus Sicht der Stadt deshalb dringend „zu überdenken“.