Unter dem Hashtag #dobeldiorama findet man immer wieder neue Figuren oder Gegenstände, die im Mauerloch der Dobelstaffel in Stuttgart-Mitte von unbekannten Fans dieses kuriosen Schauplatzes ausgetauscht werden. Foto: Oliver A. Krimmel

Ein Mauerloch mit eigenem Schild und Instagram-Account – das gibt es nur in Stuttgart! Die Dobelstaffel ist zum kuriosen Schauplatz mit wechselnden Figuren und Gegenständen geworden. Eine Kolumne über digitale und analoge Freuden.

Stuttgart - Die Engländer reden von der Generation Head down. Damit beschreiben sie die Kopfhaltung, mit der sich immer mehr Menschen fortbewegen. Das Kinn an der Brust, in der Hand das süchtig machende Gerät: So geht’s mit starrem, nach unten gerichtetem Blick durch die Stadt. Es gilt, nur keine Botschaften bei Instagram oder Messenger zu verpassen. Auf diese Weise werden die Sklaven der Technik blind für die Magie des Alltags, verpassen viel Schönes am Wegesrand. Sind es nicht die kleinen Dinge, die das Leben ausmachen?

Wer den Kopf nicht hebt, wenn er auf der Dobelstaffel zwischen der Sonnenbergstraße und der Stafflenbergstraße in Stuttgart-Mitte etwa 100 Stufen nach oben steigt, kann auf seinem Smartphone unter dem Hashtag #dobeldiorama etwas Originelles entdecken. Und wer noch mehr entdecken will, steckt das Handy in die Tasche und schaut sich das Original an – ein Diorama, eine Art Schaukasten, das in der Größe von zwölf auf zwölf Zentimetern quadratisch in der Sandsteinmauer der Dobelstäffele steckt.

Das Loch in der Mauer hat ein eigenes Schild

Kommt man damit ins Guinness-Buch der Rekorde? Das weltweit erste Mauerloch mit eigenen Instagram-Account befindet sich in Stuttgart!

Mal ist es eine Tasse mit Smiley-Gesicht, mal ein Engelchen, mal ein Tortengußhochzeitspaar, mal ein Playmobil-Feuerwehrmann – im Dobeldiorama werden die Figuren und kuriosen Gegenstände immer wieder ausgetauscht. Wer’s macht, ist nicht bekannt. Doch man sieht die aktuelle Besetzung im Mauerloch bei Instagram. Einer, der sich dazu bekennt, beim Wechselspielchen mitzumachen, ist der Stuttgarter Agenturchef, Fotokünstler, Gestalter und Autor Oliver A. Krimmel. Damit auch die anologen Stäffele-Bezwinger wissen, warum es geht, hat er eine kleine schwarze Tafel am Mauerloch angebracht, auf die er den lautmalerische Hashtag mit schnörkeliger Verzierung eingravieren ließ: #dobeldiorama.

„Herrliche Dialoge“ entstehen vor dem Mauerloch

Der Künstler gehört zu jenen Menschen, die sich am Unerwarteten erfreuen, Poesie dort schöpfen, wo sie im Verborgenen blüht. Kleine Rätsel des Alltags wollen gelöst werden. Krimmel ist häufig auf der Dobelstaffel, um seine 91-jährige Mutter zu besuchen. Wegen der Parkplatznot nimmt er die Stufen zu ihr – selten kommt er mit leeren Händen zurück. „Aus dem Kriegsgenerationen-Sammelfundus meiner Mutter finden sich immer wieder der Dinge, die man im Mauerloch einen neuen Sinn zuführen kann“, sagt er. Die „herrlichen Dialoge“ gefallen ihm, wenn etwa jemand eine Playmobilfigur mit abgesprengten Armen platziert hat und ein anderer dann eine Krankenschwester-Schlumpfine bringt.

Der digitale Fortschritt ist enorm – doch ohne analoge Freuden ist er nur halb so schön. Es lebe das Mauerloch – und die Generation Augen auf!