Hat ein Autofahrer auf dem Handy getippt oder das Gerät nur umgehoben? Mit dieser Frage hat sich das Amtsgericht Backnang beschäftigt. Foto: /Monika Skolimowska

Eine Polizeikontrolle in Backnang endet mit einem kuriosen Gerichtsprozess. Doch der wahre Überraschungsmoment kommt erst, als die Richterin in die Akten schaut.

Es beginnt mit einer Routinekontrolle, wie sie tagtäglich auf deutschen Straßen vorkommt. In der Eugen-Adolff-Straße in Backnang nimmt die Polizei einen Kleintransporter ins Visier. Ein junger Beifahrer sitzt unzureichend angeschnallt neben seinem Vater am Steuer. Die Ordnungshüter bleiben milde: eine Verwarnung, mehr nicht. Doch was als harmloser Zwischenfall beginnt, nimmt wenige Minuten später eine ungeahnte Wendung – eine Wendung, die den 55-jährigen Handwerker am Steuer bis vor das Amtsgericht Backnang führen sollte.

 

Auf dem Rückweg wird der Mann erneut von der Polizei gesichtet. Doch diesmal ist es kein schlecht sitzender Gurt, der ihre Aufmerksamkeit erregt. Ein Beamter beobachtet, wie der Fahrer nach einem elektronischen Gerät greift und darauf herumtippt – ein klarer Verstoß gegen die Vorschriften zur Handynutzung am Steuer. Die Quittung folgt prompt: 100 Euro Bußgeld. Doch der Handwerker gibt sich nicht geschlagen und legt Widerspruch ein.

Handy oder nicht? Der Streit um die Sekunden

Über ein Bußgeld in Höhe von 100 Euro wird im Amtsgericht Backnang verhandelt. Foto: Frank Rodenhausen

Vor Gericht bringt er seine eigene Version der Geschichte vor. „Ich habe nicht auf meinem Handy getippt!“, beteuert er vor der Amtsrichterin. Das fragliche Gerät sei nicht einmal seins gewesen, sondern das seines Sohnes, das dieser achtlos im Wagen abgelegt habe. Er habe es lediglich an einen sichereren Ort umgehoben. Sein eigenes Handy? Völlig regelkonform in einer Halterung mit Freisprecheinrichtung befestigt. Alles nur ein Missverständnis also?

Der Polizeibeamte im Zeugenstand sieht das anders. Er will nicht nur gesehen haben, dass der Mann nach einem Smartphone mit auffällig gelber Hülle griff, sondern auch, dass er für mindestens fünf Sekunden darauf herumgetippt habe.

Die Überraschung vor Gericht: Ein leeres Punktekonto

Doch mitten im Verfahren kommt es zu einem kuriosen Moment: Der Angeklagte erklärt, dass es ihm nicht um die 100 Euro gehe. Nein, was ihn wirklich umtreibe, seien die drohenden Punkte in Flensburg.

Er gibt unumwunden zu: In der Vergangenheit habe er sich den einen oder anderen Verstoß geleistet. Zu schnell gefahren, nicht angeschnallt, mit dem Handy am Ohr erwischt – die Liste sei länger, als ihm lieb ist, räumt er ungefragt ein. Doch er habe an sich gearbeitet. Um seine Fahrerlaubnis zu retten, habe er sich gebessert, ein spezielles „Punkteabbauprogramm“ durchlaufen und sogar einen Psychologen konsultiert. Seither halte er sich strikt an die Regeln, versichert er der Richterin. Umso ärgerlicher sei, dass ihm jetzt neues einschlägiges Ungemach drohe.

Dann passiert das Unerwartete: Die Richterin hatte im Vorfeld der Verhandlung eine Abfrage beim Fahreignungsregister durchführen lassen, und nun wandert ihr Blick über die Papiere. Keine Eintragungen. Keine Punkte. Das Register ist makellos. Auch der Überprüfung, ob tatsächlich der Richtige abgefragt wurde, hält die Akte stand. „Es scheint alles getilgt zu sein“, bemerkt sie trocken.

Unerwartete Wende: Punkte in Flensburg sind weg!

Der Handwerker wirkt konsterniert. Er hatte damit gerechnet, mit mindestens sechs Punkten in Flensburg in der Kreide zu stehen. Jahrelang hatte er sie offenbar wie eine dunkle Wolke über sich schweben sehen, hatte sich durch Programme gekämpft, um zu retten, was zu retten war – und nun war alles einfach so weg?

Die Richterin legt ihm angesichts dieser unerwarteten Wendung und der glaubwürdigen Aussage des Zeugen unterschwellig nahe, seinen Widerspruch doch besser zurückzuziehen. Doch der Handwerker bleibt stur. Das Urteil: Das Bußgeld bleibt bestehen und die Verfahrenskosten kommen noch obendrauf.

Ein Prozess, der mit der Angst vor weiteren Punkten begann, endet mit der Erkenntnis, dass das Schicksal manchmal seltsame Wege geht. Und mit einer teuren Rechnung für den Mann, der vielleicht doch hätte loslassen sollen.

Welcher Verstoß bringt wieviele Punkt?

  • Geschwindigkeitsüberschreitungen: Wer zwischen 21 und 25 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt, riskiert 1 Punkt. Bei Überschreitungen von 31 bis 40 km/h innerorts werden 2 Punkte fällig .
  • Rotlichtverstoß: Das Überfahren einer roten Ampel kann mindestens 1 Punkt einbringen. Wenn die Ampel schon länger als eine Sekunde rot leuchtet oder es zu einer gefährlichen Situation kommt, sind es 2 Punkte.
  • Alkohol am Steuer: Wer mit 0,9 bis 1,09 Promille erwischt wird, erhält 2 Punkte. Darüber sind 3 Punkte und es wird als Straftat geahndet.
  • Handy am Steuer: Das Telefonieren im Auto ohne Freisprecheinrichtung wird mit 1 Punkt geahndet.
  • Fahren mit Sommerreifen im Winter: Wer bei winterlichen Straßenverhältnissen mit Sommerreifen erwischt wird, kassiert 1 Punkt.

Es ist zu beachten, dass bereits 8 Punkte zum Führerscheinverlust führen.