Zwei der in Indien angefertigten Knatterboote – beide mit deutscher Aufschrift. Foto: privat

Metallmüll reist von Deutschland bis nach Indien und kehrt als Spielzeug zurück – Recycling stellt man sich etwas anders vor. Ein kurioser Fall aus Althütte.

Zwei Mal im Jahr reist Marianne Frank-Mast aus Althütte nach Indien. Nicht aus touristischen Gründen, sondern um zu überprüfen, ob in den Schulprojekten für benachteiligte Kinder, die ihr Verein Mädchenschule Khadigram finanziell unterstützt, auch alles rund läuft. Von diesen Reisen bringt Marianne Frank-Mast seit vielen Jahren stets Knatterboote mit: kleine, aus Blech gefertigte Spielzeugschiffe, die mittels Wasserimpulsantrieb in Fahrt gebracht werden. Die Boote verkauft der Verein etwa beim Fest im indischen Dorf, das diesmal am 17. und 18. September in Althütte stattfindet.

Auch von ihrer jüngsten Reise hat Marianne Frank-Mast rund tausend Boote mitgebracht – und sich beim näheren Betrachten sehr gewundert. Denn auf den Spielzeugschiffchen, die aus dem Slum der indischen Stadt Anand stammen, prangen deutsche Wörter: „Sprühsahne“ der Marke „Gut & Günstig“ ist auf einem Boot zu erkennen, auf einem anderen kann man entziffern, dass es sich um die Überreste eines „WC Schaumreinigers“ der Marke „WC fix“ handelt. Darunter steht der Zusatzhinweis: „Verpackung der Wertstoffsammlung zuführen“. Auch einige englischsprachige Aufschriften hat Marianne Frank-Mast erstmals entdeckt.

Der Bootsbauer lebt im Slum von Anand

„Der Bootsbauer ist ein Mann, der im Slum lebt und die Boote mit einer Blechschere und einer Presse herstellt. Sie werden dort auf dem Markt verkauft“, erzählt Marianne Frank-Mast, die dem Mann stets eine große Menge abnimmt. Sie betont: „Wir zahlen gut im Vergleich zu den indischen Preisen. Dass der Rohstoff für die Knatterboote auch aus Deutschland zu kommen scheint, ist aber schon irrsinnig. Uns wird ja suggeriert, dass recyclingfähiges Material, zum Beispiel aus dem Gelben Sack, in Deutschland weiterverarbeitet wird.“

Anruf bei Michael Jedelhauser, der beim Naturschutzbund (Nabu) als Referent für Kreislaufwirtschaft arbeitet. Sein Fachgebiet seien eigentlich Plastikmüllexporte, berichtet der Experte und sagt, bis vor wenigen Jahren seien noch größere Mengen deutschen Plastikmülls nach Indien exportiert worden. Inzwischen gelange zwar deutlich weniger dorthin, gewisse Mengen landeten aber weiterhin dort. Und wie erklärt sich Michael Jedelhauser die indischen Knatterboote aus deutschen Metallsprühbehältern?

Legal oder illegal exportierter Müll?

Da kann der Nabu-Referent nur mutmaßen. Der Müll könnte illegal exportiert worden sein, beispielsweise wenn er aus Abfallgemischen bestanden habe, die man kostspielig entsorgen müsste. Die zweite Option sei ein legaler Export. Es sei schon möglich, dass Verpackungsbehälter aus Metall als Wertstoff nach Indien exportiert würden, um dort recycelt zu werden – letzteres möglicherweise aber nicht vollständig.

Die Gelbe Tonne funktioniere in Sachen Metalle eigentlich gut, sagt Michael Jedelhauser: „Das Recycling ist da einfacher als bei Plastikmüll, denn die Dosen haben einen ökonomischen Wert, bieten also mehr Anreiz, sie in Deutschland zu recyceln.“ Doch wer weiß schon, ob die im Slum verarbeiteten Sprühdosen überhaupt im Gelben Sack gelandet waren. Sie könnten auch aus dem Restmüll stammen, sagt Michael Jedelhauser. Oder es könnte sich um gewerbliche Ausschussware handeln, beispielsweise um nicht befüllte Lebensmittelverpackungen, auf die ein falsches Datum aufgedruckt war.

EU-Kommission will Müllexporte erschweren

Die Europäische Kommission wolle den Export von Müll in ärmere Länder erschweren, sagt Michael Jedelhauser. Sie schlägt vor, dass Länder, die wie Indien nicht der Industriestaaten-Organisation OECD angehören, nachweisen müssen, dass sie Abfälle umweltgerecht entsorgen. Er sei relativ optimistisch, dass das klappen werde, sagt der Nabu-Referent: „Dann könnte man solche Abfälle nicht mehr legal exportieren.“ Mal sehen, ob das Verbot kommt. Und dann mal sehen, welche Aufschriften Marianne Frank-Mast danach auf den Booten entdeckt.

Den Verein findet man im Internet unter www.maedchenschule-khadigram.de

Bildungsarbeit für Slumkinder

Veranstaltung
Die nächste Aktion des Vereins Mädchenschule Khadigram ist am 17. und 18. September in Althütte beim Fest im indischen Dorf. Gefeiert wird samstags von 12.30 bis 21 Uhr, um 14.30 Uhr gibt es Bollywood Dance mit dem Bombay Dance Club Stuttgart, ab 18 Uhr spielt das Jugendblasorchester Althütte Dixieland und mehr. Der Sonntag beginnt um 11 Uhr mit einem Jazz-Brunch, ab 15 Uhr gibt es klassischen, indischen Tanz zu sehen. Es gibt indisches Essen, einen kleinen Markt und Knatterboote.

Umwelt
Auch die Schulkinder in Indien werden derzeit in einem Projekt über Umweltschutz aufgeklärt. Viele Menschen leiden wegen der Luftverschmutzung unter Lungen- und Hautkrankheiten. Im Slum von Anand läuft ein Projekt mit Stangenbohnen, die als Schattenspender und Nahrungsquelle in einem dienen.