Bei David Palmer werden aus alten Flugzeugkabinen Gartenhäuser. Foto: Dappr Aviation

Mehrere Hundert Flugzeuge werden allein in Europa jedes Jahr ausgemustert. Die meisten Einzelteile landen dabei auf dem Müll. Oder bei David Palmer. Der Brite kauft Turbinen, Sitze und Trolleys auf, um daraus Kunstwerke zu basteln.

Bury St. Edmunds - David Palmer öffnet in Arbeitskluft die Tür: Blaumann, Lederstiefel, kurze, hochgegelte Haare. „Sorry, aber ich bin gerade mitten in einem Projekt“, sagt der 59-Jährige und deutet auf die weißen Farbflecken an seinem Ärmel. „Wenn ich einmal an was dran bin, kann ich mich nicht lösen. Ich schätze, die Arbeit macht mir einfach zu viel Spaß“, erklärt er. Palmer haucht toten Flugzeugen neues Leben ein.

Der Künstler aus der englischen Kleinstadt Bury St. Edmunds – etwa hundert Kilometer nordöstlich von London – kauft ausrangierte Einzelteile auf, um sie zu Alltagsgegenständen umzubauen. Bremsscheiben werden zu Spiegeln, Sicherheitsgurte zu Schlüsselhaltern, Sitzhalterungen zu Tischbeinen. „Es gibt so gut wie nichts, was ich noch nicht auseinandergebaut habe“, sagt Palmer, während er durch sein Lager schlendert.

Hunderte von Einzelteilen tummeln sich in den Regalen: Landeklappen, Fenster, Schrauben. Was normalerweise auf den Schrott wandern würde, motzt Palmer in seiner Werkstatt auf. Früher verdiente der Künstler sein Geld mit Elektroschrott. Auch als Testfahrer hat er mal gearbeitet. Auf die Idee mit den Flugzeugen brachte ihn ein Freund, mit dem er 2012 schließlich das Unternehmen Dappr Aviation gründete. „Das Potenzial ist riesig“, schwärmt der technikbegeisterte Schrauber. „Allein in Großbritannien werden pro Jahr 75 Flugzeuge ausgemustert. Da fällt unheimlich viel Material an.“

Konkurrenz gibt es kaum, Kundschaft schon

Gleichzeitig gibt es kaum Konkurrenz. „Ob sich jemand für unsere Kunst interessiert, wussten wir am Anfang natürlich nicht“, sagt Palmer. „Und ehrlich gesagt, wissen wir es bis heute nicht. Aber gekauft werden die Sachen.“ Die Sachen: Damit sind nicht nur kleine Objekte gemeint, die Palmer in seiner Werkstatt zerlegt und neu kombiniert. Aus einem Rumpfelement hat er schon ein komplettes Gartenhaus gebaut, aus einem Triebwerk einen Konferenztisch. „Manche Dinge sind richtige Goldminen, denn man kann unheimlich viel aus ihnen machen.“ Ein bisschen Farbe, ein bisschen Holz, und nur keine Scheu vor der Säge: Die meisten Ideen kommen dem Künstler bei der Arbeit. Immer mit dabei: Tochter Emily (25), eine studierte Designerin. An diesem Tag klebt sie mehrere Holzbretter zusammen, um daraus ein Regal zu bauen. Als Schubladen sollen die Metallkisten dienen, in denen die Flugzeugcrew ihre Materialien lagert. „Beim Design macht ihr keiner was vor“, sagt Palmer stolz, setzt dann aber doch kurz die Brille auf: alles auf Kante, alles verleimt, sehr gut.

Rund 250 000 Pfund – umgerechnet rund 281 000 Euro – setzt Dappr Aviation nach eigenen Angaben im Jahr um. Die meisten Kunden sind Geschäftsleute: Anzugträger, die ihre Weinflasche aus einem umgebauten Trolley holen, um auf den Vertragsabschluss anzustoßen. Palmer grinst: „Das sind meistens Männer, die andere Männer beeindrucken wollen. Kunst ist für sie ein Zeichen von Erfolg.“ Im privaten Bereich seien die Käufer hingegen zu 80 Prozent weiblich: Frauen, die sich für Kunst interessierten. Oder Luftfahrt-Enthusiasten.

Die Kosten der Objekte hängen vom Arbeitsaufwand ab. Einen Spiegel, hergestellt aus einer Bremsscheibe, gibt es für weniger als hundert Euro. Für größere Kunstwerke werden mehrere Tausend Euro fällig. Wer so viel Geld für ein Unikat ausgibt, möchte den Entstehungsprozess genau verfolgen. „Wir fotografieren jeden Arbeitsschritt“, sagt Palmer. „Unsere Kunden sind oft selbst Bastler. Sie wollen eine Erinnerung daran, wie ihre Kunstwerke entstanden sind.“ Oft besuche er seine Auftraggeber auch zu Hause: „Ich muss mir ein Bild davon machen, wie es dort aussieht. Sonst passt ein bestimmtes Objekt hinterher nicht zur restlichen Einrichtung. Dann würde es wie ein Fremdkörper wirken.“ Ob trotzdem schon mal was schiefgegangen ist? „Klar“, sagt Palmer, „aber nichts, was wir nicht retten konnten.“

Einzig der Brexit macht Palmer Sorgen

Weit größere Sorgen bereitet ihm der Brexit. „Europa ist unser größter Markt, noch vor den USA. Was aus Dappr Aviation wird, wenn wir plötzlich Zölle bezahlen müssen, weiß niemand.“ Auch deshalb hat sich der Künstler ein zweites Standbein aufgebaut. Zehnmal im Jahr veranstaltet er Workshops in seinem Atelier. Dort lernen Hobbykünstler, wie sie aus Ventilen eine Skulptur formen oder aus Leiterplatten eine Collage basteln.

Palmers Lieblingsobjekt ist eine rollende Minibar, hergestellt aus ausrangierten Flugzeugtrolleys. „Das ist etwas, das wir in zwei, drei Tagen herstellen können“, erklärt der Künstler. „Vor allem aber verstaubt es danach nicht in irgendeiner Ecke, sondern wird wirklich genutzt.“ Was man auch von seinen etwas sperrigen Kreationen behaupten kann. Zum Beispiel vom Auspuff eines Airbus A 320. Noch heute befördert er Abgase in die Luft – als Schornstein an einem Einfamilienhaus.