Martina Geiger-Gerlach hat die Dokumentation einer Performance beigesteuert: der Galerist Horst Merkle wechselt eine Stunde lang die Perspektive. Foto: z/Martina Geiger-Gerlach

Für die diesjährige Mitgliederausstellung des Kunstvereins Gästezimmer haben die Teilnehmer Arbeiten eingereicht, die einen Wendepunkt in ihrer künstlerischen Entwicklung darstellen.

Möhringen - Revolution bedeutet im wörtlichen Sinn „Umdrehung“. Der Kunstverein Gästezimmer hat die Erinnerungen an die russische Oktoberrevolution vor 100 Jahren zum Anlass genommen, seine jährliche Mitgliederausstellung unter das Thema „Was nun?“ zu stellen. Die Mitglieder wurden aufgefordert, eine Arbeit einzureichen, die für sie persönlich einen Bruch, eine Wende im Sinne einer Revolution darstellt. Heute, Donnerstag, um 19.30 Uhr wird die Ausstellung eröffnet.

Fotografische Dokumentation von Projekten

Von den etwa 70 Mitgliedern des Vereins sind gut die Hälfte künstlerisch tätig. Sie haben größere und kleinere Arbeiten unterschiedlicher Art eingereicht. „Es ist keine klassische Hängung von Originalen“, erläutert Daniel Mijic, einer der Kuratoren: neben Gemälden, Skulpturen und Video- oder Ton-Installationen gibt es die fotografische Dokumentation von Projekten aus der Vergangenheit. Man habe bewusst keine Vorgaben hinsichtlich der Größe gemacht, sagt er. Bei „Was nun?“ geht es auch weniger um die historische Dimension der Oktoberrevolution als vielmehr um die persönliche Entwicklung der Beteiligten, um eine Art Schlüsselwerk.

Die Altersspanne reicht von Sophia Sadzakov, Anfang 20, die aus ihrem Auslandssemester in Estland die Kugelschreiberzeichnung ihres Smartphone-Displays geschickt hat, bis zu Gabriele Zeller-Kramer, Mitte 70, die mit einem 1967 entstandenen Bild vertreten ist. Es zeigt Malcolm X, den radikalen Vertreter der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung.

Erde aus Israel und Palästina vertauscht

Auch Micha Ullman, mit Jahrgang 1939 der Älteste unter den Teilnehmern, hat seinen Beitrag aus dem Ausland geschickt. Der in Tel Aviv geborene Künstler hat mehrere Jahre lang an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart unterrichtet und lebt wieder in Israel. Er ist bekannt für sein Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung, das in Berlin einen unterirdischen Raum mit leeren Bücherregalen zeigt. Für die neue Ausstellung im Gästezimmer hat er Schwarz-Weiß-Fotos geschickt, die dokumentieren, wie der Künstler Anfang der 1970er-Jahre in Israel und Palästina einen Kubikmeter große Löcher gräbt und deren Erde vertauscht. Ein höchst aktuelles Thema, findet nicht nur Daniel Mijic .

„Der Hängende“ dokumentiert eine Performance

Die Plieningerin Martina Geiger-Gerlach hat den Begriff Revolution wörtlich genommen. Ihre dreiteilige Fotoserie „Der Hängende“ verweist auf eine Performance aus dem Jahr 2013. Mithilfe eines Therapeuten ließ sich damals der Galerist Horst Merkle eine Stunde lang kopfüber von der Decke hängen. „Hangup“ nennt sich diese Therapie, die in den Augen von Geiger-Gerlach wie eine Skulptur wirkt.

Der Galerist befand sich zu dieser Zeit an einem Wendepunkt seines Lebens und benötigte einen Perspektivwechsel. Die Besucher seiner Ausstellung zum 15-jährigen Bestehen beobachteten ihn dabei mit viel Geduld. „Der Galerist wurde an seinem Arbeitsplatz neu positioniert“, erläutert Geiger-Gerlach: üblicherweise hängt dieser die Arbeiten der Künstler auf, hier war es einmal umgedreht. Auch für sie selbst sei diese Performance ein Wendepunkt gewesen: In solch radikaler Form hatte sie noch nicht mit Menschen gearbeitet. Horst Merkle arbeitet übrigens nach wie vor als Galerist und Kurator.

Vernissage Die Mitgliederausstellung des Kunstvereins Gästezimmer mit dem Titel „Was nun?“ wird heute, Donnerstag, um 19.30 Uhr an der Vaihinger Straße 140 eröffnet. Sie ist bis zum 17. Dezember sonntags von 15 bis 18 Uhr zu sehen.