Beim KunstSinn-Festival in der Laufenmühle wird auch Theater gespielt: Dahinter steht ein inklusives und internationales Projekt. Foto: Gottfried Stoppel

Spielen verbindet über alle Grenzen hinweg: Deutsche und italienische Schauspieler mit Behinderung treten beim KunstSinn-Festival in der Welzheimer Laufenmühle auf. Innerhalb von nur drei Wochen ist ihr Stück entstanden.

Welzheim - Noch zwanzig Minuten bis zur Aufführung. Im Kaspar-Hauser-Saal in der Welzheimer Laufenmühle vereinigen sich die Stimmen der 25 Schauspieler zu einem lauten, fröhlichen Chor, dirigiert von Robert McNeer. „Perfetto“, ruft er zufrieden, nachdem das Lied verklungen ist, und bittet seine Truppe, einen Kreis zu bilden für eine Atemübung gegen das Lampenfieber.

„Pax Profanum“ lautet der Titel der internationalen und inklusiven Theaterproduktion, die im Rahmen des zweitägigen KunstSinn-Festivals, das von der Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Laufenmühle veranstaltet wird, gezeigt wird. Um eine magische Reise, um die Schönheit des Lebens geht es in dem Stück, erzählt Robert McNeer. Der Amerikaner leitet gemeinsam mit seiner Frau Pia Wachter in Italien das Teatro La Luna nel Pozzo. Seit 20 Jahren arbeiten die beiden mit behinderten Schauspielern, oder besser gesagt „mit anders begabten Schauspielern. Behindert klingt so hässlich“, findet McNeer. Die Kooperation seiner Truppe mit der Laufenmühle geht bereits in das zweite Jahr – und stößt bei den Beteiligten auf große Begeisterung. „Es war immer mein Traum, Theater zu spielen“, schwärmt die 24-jährige Jana Roesler. „Es gefällt mir, dass ich dann im Mittelpunkt stehe.“ Ihren Text könne sie auswendig, auch wenn es schwer gewesen sei, ihn zu üben.

Unterschiedliche Sprache spielt keine Rolle

Ihr Schauspielkollege Fabian d’Amico, der ebenfalls in der Laufenmühle arbeitet, hat sich kurz vor der Aufführung noch beim Musikmachen verausgabt – gegen das Lampenfieber. „Schauspielen macht Spaß“, sagt der 25-Jährige. Und es sei toll gewesen, bei der gemeinsamen Produktion neue Freunde kennen zu lernen. Die Sprache war für ihn dabei überhaupt kein Problem – schließlich ist sein Vater Italiener.

„Es ist schön zu sehen, wie die Sprache zwischen den Menschen mit Behinderung gar keine Rolle spielt. Sie kommunizieren ähnlich wie Kinder miteinander, sie sprechen über das Spielen“, erklärt Pia Wachter. So sind zwischen deutschen und italienischen Schauspielern enge Freundschaften entstanden, obwohl sie sich nur drei Wochen im Jahr sehen: Eine Woche sind die Deutschen in Italien, zwei Wochen lang besuchen die Italiener Deutschland – und innerhalb dieser insgesamt drei Wochen muss das Stück fertig werden. „Da muss man Geduld haben – anders begabte Schauspieler brauchen mehr Zeit“, beschreibt McNeer eine der Herausforderungen. Seit drei Tagen habe das Theaterstück nun ungefähr die endgültige Form – „jetzt ist es ihr Stück“, sagt der 61-Jährige.

Das Stück wird passend zu den Schauspielern entwickelt

„Es macht großen Spaß, mit Robert und Pia zu arbeiten, weil sie die Rollen um die Menschen herum schreiben, mit einem individuellen Blick auf jeden einzelnen“, erzählt Roman Heller, der in der Laufenmühle Menschen mit Behinderung betreut und sie auch bei der Theaterproduktion unterstützt. „Anders begabte Schauspieler haben eine unheimliche Individualität und eine Art, sich nicht gegenseitig zu beurteilen“, betont McNeer. „Sie wollen es perfekt machen – auch wenn das vielleicht anders perfekt ist als das, was wir perfekt nennen.“

Die Teilnehmer wachsen an diesem Projekt – etwa, was ihr Selbstbewusstsein angeht, hat Lisa Wegner beobachtet. „Ihre Entwicklung ist gigantisch“, sagt die 24-Jährige, die ebenfalls als Betreuerin beteiligt ist. Menschen, die sich anfangs kaum auf die Bühne getraut hätten, seien inzwischen immer vorne mit dabei.

Die Kooperation zwischen der Laufenmühle und dem Teatro La Luna nel Pozzo soll weitergehen. „Wir feiern die Vielfalt der Menschen – je verschiedener wir sind, desto mehr können wir einander geben“, sagt Pia Wachter.

Was verbirgt sich hinter Christopherus?

Inklusion
ist der Schwerpunkt der Christopherus Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, die in ihrer Einrichtung in der Laufenmühle in Welzheim rund 95 Menschen mit geistiger Behinderung betreut. Im Rahmen einer Werkstatt für behinderte Menschen betreibt sie auch das Erfahrungsfeld der Sinne „Eins + Alles“ , es gibt ein Café-Restaurant und eine Kaffeerösterei.

Musik,
Schauspiel und Kunsthandwerk prägen das zweitägige KunstSinn-Festival, zu dem die Lebens- und Arbeitsgemeinschaft seit mehr als 35 Jahren immer im Herbst in die Welzheimer Laufenmühle einlädt. Die Veranstalter schätzen, dass dieses Jahr zwischen 3000 und 4000 Besucher gekommen sind.